Krimileseleben -5-

Auch diese Woche beginnt mit den Bekenntnissen von Krimileserinnen und -lesern. Weitere werden folgen, die letzte Ausgabe unserer kleinen Interviewreihe findet man →hier.

Michèle, 48, Luxemburg
Maggie
Stefan, 25, Buchhändler, „Krimileser mit ausgeprägter Sammelleidenschaft“
Caro, 28, Buchhändlerin

Wie und wann bist du zum Krimi gekommen und was waren deine ersten prägenden Leseerlebnisse im Genre?

Michèle: Wenn ich recht überlege, dann hat sich das schon während meiner „Frühzeit“ festgelegt: angefangen mit Micky Maus und Kommissar Hunter, Abenteuerbücher (Enid Blyton, etc), dann Karl May, Orient-Bände und Amerika-Bände und ähnliche …., als ich etwa 12 war, musste ich jeden Tag 2-4mal täglich 20 Minuten Zugfahren. Also was tun: Lesen! Zuerst solche kleinen Heftchen wie „Gaslicht“ o.ä., dann „G-Man Jerry Cotton“.
Später habe ich dann die Bibliothek meiner Eltern geplündert und alles gelesen, was sich nicht wehren konnte (u.a. auch Krimis und Abenteuer – Dürrenmatt, Meuterei auf der Bounty, Cronin, Remarque, etc – was damals so in Mode war). Ab 16 Jahren. bis nach dem Abi habe fast nur Klassiker und Zeitgenössisches gelesen in deutsch, französisch und englisch (war in einer Sprachen/Literaturklasse). Danach LeseLoch – weil arbeiten, Häusle bauen, Kinder kriegen …. Vor etwa 5 Jahren habe ich wieder angefangen zu lesen; in der Zwischenzeit war meine Ehe so gut wie beendet und mir stand der Sinn nicht nach Liebesgeflüster – also „back to the roots“. Begonnen habe ich damals mit Berndorf (leicht und amüsant und weil aus der Gegend), Mankell (weil er gerade in aller Munde war) und George (weil ich auch englisch lesen wollte).

Maggie: Ich lese seit ich denken kann (ich bin 47). Sobald ich lesen konnte, hatte die Familie Ruhe vor mir und schon als Kind waren Serien wie die „Fünf Freunde“ etc. meine Favoriten. Später hab ich dann gelesen, was mir zwischen die Finger kam, im alleräussersten Notfall die Schmöker vom Buchclub aus Mutterns Regal oder die Aufschrift der Aspirinpäckchen. Dann folgte eine relativ lange Phase von Klassikern, meine Lieblinge die englischen – Kipling, Somerset Maugham, Jane Austen. Und Reisebeschreibungen. Aber dazwischen müssen auch schon immer Krimis gewesen sein, und als ich auf der Suche nach englischen Autoren die Goldmann Krimis entdeckte ( damals waren die Verlage ja so schlau, die Krimi Reihen einheitlich gestaltet herauszugeben – Wiedererkennungswert), gabs kein Halten mehr. Die ersten Autorinnen, die mich im Genre gehalten haben, waren – nein, nicht A. Christie – sondern Dorothy Sayers und Ngaio Marsh. Später dann die Autoren von Diogenes und Rororo ( Kemelman, Van de Wetering etc ), auch Ariadne.

Stefan: Relativ spät. Ich habe zwar schon als kleines Kind ein Faible für Bücher gehabt, mich allerdings in erster Linie für Sachbücher, vor allem im Bereich der Tierwelt, interessiert. Bis ins Jahr 2000 ist die Unterhaltungsliteratur (bis auf wenige Ausnahmen wie Michael Endes „Der Wunschpunsch“) an mir vorbeigegangen. Im besagten Jahr habe ich dann einige Monate bei einem Autoteilezulieferer gearbeitet und mich dort in der einstündigen Pause ziemlich gelangweilt. Was folgte war ein Ausflug in die Bücherei, wo ich mir die Sherlock Holmes-Geschichten von Sir Arthur Conan Doyle („Das Tal der Furcht“ und „Die Abenteuer des Sherlock Holmes“) ausgeliehen habe. Warum ausgerechnet die, weiß ich bis heute nicht, aber es war der Startschuss einer Leidenschaft und eines Hobbys, ohne das ich mir das Leben heut so gar nicht vorstellen kann. Das ich über die Bücher Doyles auch noch meine Freundin kennen gelernt habe, passt da ziemlich gut ins Schema.

Caro: Ich habe schon als Kind gerne Detektivgeschichten gelesen, bzw. angehört. Besonders gut gefallen haben mir „Die fünf Freunde“ von Enid Blyton, oder meine TKKG-Kassetten.
Ein prägendes Leseerlebnis war aber auch, als wir in der Grundschule „Die Abenteuer der schwarzen Hand“ von Hans Jürgen Press gelesen haben – ein Mitratekrimi für Kinder. Wie es bei Schullektüren so ist, mussten wir das Buch etappenweise lesen, was mir damals schon extrem schwer fiel. Ich habe nicht verstanden, wie andere Kinder so erbärmlich langsam lesen konnten! Wollten die denn das Rätsel nicht lösen?

Wie hat sich dein Krimilesegeschmack im Lauf der Zeit entwickelt?

Michèle: Ich denke, nicht sehr viel: Ich lese immer noch Berndorf, Mankell und George, doch es sind noch einige mehr dazugekommen. Im Prinzip ziehe ich europäische Krimis den amerikanischen Krimis vor, d.h. ich bin kein Freund von Massenmördern und bluttriefenden Showdowns – doch ich will nicht verallgemeinern.
Ich mag eher das Skurrile (Grimes), den schwarzen Humor (Hill), das Beschauliche (P.D. James, Charles Todd). Ausserdem bin ich überzeugter Serientäter. Wenn mir ein Buch aus der Serie gefällt, lese ich die ganze Serie und das, wenn möglich in chronologischer Reihenfolge.
Mittlerweile lese ich die französischen Krimis auch in der Muttersprache …Und letzte Woche die neueste Herausforderung: Alicia Giménez Bartlett …. auf spanisch.

Maggie: Nachdem die Verlage damals die Krimireihen einheitlich gestaltet haben, hat das die Suche natürlich viel einfacher gemacht. Die Informationsmöglichkeiten, die wir heute haben, gab es ja nicht. Also bin ich am Monatsanfang in die Buchhandlung und hab nach den roten Goldmanns, den Diogenes (damals gelb/schwarz) oder den Rororo Büchern geschaut. Und, natürlich, die absoluten Lieblinge aus der DumontReihe, die wegen ihrer Nachworte auch unglaublich informativ waren.
Den nächsten Schub hat die Krimi-Begeisterung erhalten, als ich angefangen habe, englisch zu lesen. Endlich Serien in der richtigen Reihenfolge, keine vermurksten Übersetzungen mehr. Und keine Warterei, ob der Verlag das nächste wirklich herausbringt bzw. wann er es herausbringt.

Stefan: In keine spezielle Richtung, sondern breit gefächert durch alle Genres hinweg. Ich kann nicht behaupten, mich nur für eines zu interessieren, wenngleich ich besonders an den Krimis des Golden Age meine Freude finde. Aber auch Spionageromane alla Eric Ambler, Hardboiled wie bei John Connolly oder Pulp wie bei Lawrence Block finden sich in meinem Bücherregal wieder. Die Figuren sind dabei von entscheidender Bedeutung. Der arrogante, unnahbare Detektiv findet genauso meinen Gefallen, wie der schwarzhumorige, verbitterte Ermittler. Stereotyp und überzeichnet sollen sie aber bitte nicht sein.
Kurzum: Alles was gut ist oder mir gut erscheint, wird gelesen, wobei ich um platten Mainstream und hohlköpfigen Splatterallerlei einen großen Bogen mache. Was das angeht, bin ich sicherlich im Laufe der bei mir noch wenigen Jahren anspruchsvoller geworden.

Caro: Nach den Kinderkrimis kam erst mal eine Zeit lang nichts. Ich habe hauptsächlich Belletristisches gelesen und dann erst in meiner Jugend wieder zum Krimi gefunden. John Grisham habe ich gerne gelesen, allerdings war mir das bald zu langweilig (die Muster sind in seinen Romanen ja nicht besonders schwer zu erkennen) und ich habe mich mit Begeisterung Stephen King zugewandt. Das ging zwar mehr in die Horrorrichtung, aber ich habe ein Buch nach dem anderen verschlungen. Über Minette Walters und Elise Title kam ich dann aber wieder zu den „normalen Krimis“. Ian Rankin habe ich dann auch sehr gerne gelesen.
Heute unterscheide ich bei den Krimis, die ich lese ganz gerne zwischen purer Unterhaltung, die mir einfach Spaß macht und anspruchsvolleren Krimis, die von Atmosphären, der Sprachfertigkeit des Autors oder ermittlerischer Detailarbeit leben.

Die Gretchenfrage: Warum liest du Krimis? „Nur“ zur Unterhaltung oder gibt es noch andere Motive?

Michèle: Hauptsächlich zur Unterhaltung (schaue kein Fernsehen). Gelesen wird:

– wenn ich unterwegs bin (meist allein – als Wegbegleiter)
– vor dem Einschlafen (Entspannung)
– manchmal (wenn ich Zeit habe und es regnet nicht) auf einem Liegestuhl auf meiner Terrasse mit einem guten Gläschen Wein (Entspannung pur)

Maggie: Warum Krimis? Ja, zur Unterhaltung, ganz klar. Ich liebe gut erzählte Geschichten. Aber andererseits, weil ich Krimis zu jedem Thema finde. Etwas über andere Kulturen erfahren, Sozialkritik, Humor, fremde Länder oder vergangene Zeiten ….. einen Krimi gibts immer.
Wir reisen viel und vorab schon einen Krimi über das Land zu lesen, ist immer reizvoll und informativ. Oder vor Ort die Buchhandlungen unsicher zu machen und unbekannte Autoren entdecken – herrlich. Du willst nicht wissen, wieviel Bücher ich damals aus Alaska mitgebracht habe ……

Stefan: Hm, schwierig. Sicherlich in erster Linie zur Unterhaltung, wenngleich ich aber auch mit prüfendem Blick die literarischen Aspekte eines Krimis betrachte. Wie hat sich der Autor im Laufe der Jahre entwickelt? (Ein Grund, warum ich alle Bücher immer in der Reihenfolge ihres Erscheinens lese. Auch bei Stand-Alones.) Wie baut der Schriftsteller seinen Krimi auf? Was macht jetzt hier genau die Spannung aus? Ich lasse mich also nicht nur berieseln, sondern schaue genauer hin, was allerdings auch jobbedingt ist, da man als Buchhändler seine Empfehlungen schon inhaltlich unterfüttern sollte, um den Kunden einen kurzen Überblick geben zu können.
Was mir besonderen Spaß macht, ist das gemütliche Miträtseln (sicherlich ein Grund für meine Vorliebe an den klassischen Krimis des Golden Age) und das schlichte Sammeln. Wo immer ich einen interessanten Titel entdecke, wird er erworben und der langsam immer größer werdenden Sammlung einverleibt. Das Stöbern nach guten Krimis ist somit zu einem weiteren wichtigen Teil des Hobbys geworden.
Auch wenn Krimis mein bevorzugter Lesestoff sind, werden nebenher auch immer mal wieder Klassiker der Belletristik, historische oder phantastische Romane von mir gelesen. Nicht nur aufgrund der Abwechslung, sondern auch weil dort teilweise Themen, die mich ebenfalls sehr interessieren (z.B. Geschichte) besser abgebildet werden können.

Caro: Natürlich lese ich Krimis der Unterhaltung wegen, aber auch um beruflich immer auf dem neuesten Stand zu sein, bzw. um Lücken in meinem Literaturwissen zu schließen. Da ich früher praktisch keine klassischen Krimis gelesen habe und auch vor meiner buchhändlerischen Ausbildung recht wahllos vorgegangen bin, muss ich jetzt manches nachholen.
Ich lese auch nicht ausschließlich Krimis, seit ich regelmäßig bei der Krimi-Couch reinschaue aber überwiegend.

Wie informierst du dich über das Angebot? Liest du auch Rezensionen – und welchen Wert haben sie für dich?

Michèle: Seit ich bei der KC bin, werde ich mit Ideen und Infos überschüttet – die Wahl fällt schwerer, doch wirkliche Missgriffe lassen sich auch vermeiden; die Rezensionen lese ich ziemlich regelmässig

– wenn mich mal ein neuer(s) Autor/Buch näher interessiert – dann lese ich auch die Leserkommentare
– wenn heftig über ein(en) Autor/Buch debattiert wird und ich mit dem Gedanken spiele, es mir zu kaufen (oder sogar schon gelesen habe)
– wenn ich selbst ein Buch als super und/oder totalen Quark befunden habe (um zu sehen ob ich mit meiner Meinung daneben liege …)

Da ich aber viele Serien lese zB: Robinson (Banks), Hill (Daziel), PD James (Dalgliesh), Todd (Rutledge) lese ich Rezensionen nur, wenn ich zufällig daran vorbei komme – ich weiss nämlich, dass jede Reihe ihre „Durchhänger“ hat, aber auch ihre „Highlights“.

Maggie: Wie ich mich informiere? Nun, heutzutage schau ich auf die KC, aber ich stöbere auch bei Amazon. Oder ich schaue bei Autoren, die ich mag, die auch oft Empfehlungen und Verweisungen auf andere Autoren geben. Um ehrlich zu sein, heute nutze ich zur Informationsfindung hauptsächlich das Internet, zB auch amerikanische Mystery Clubs u.ä.
Rezensionen find ich schwierig, das kommt darauf an, ob ich den Rezensenten einschätzen kann. Sagen wir mal so, wenn Jochen eine Beurteilung abgibt, vertraue ich dieser eher, als wenn ich eine Beurteilung vom User xy lese.

Stefan: Als Buchhändler über so ziemlich alle Wege die mir offen stehen. Ich bibliographiere im Verzeichnis der lieferbaren Bücher, schaue mir die Verlagsvorschauen an, sichte die Leseexemplare und – ganz wichtig – schnüffele unentwegt auf der Krimi-Couch. Ohne die wären mir sehr, sehr viele gute Autoren und Titel durch die Lappen gegangen, weshalb diese Internetseite bei der Suche nach Krimis mittlerweile erste Anlaufstelle ist. Rezensionen sind mir da persönlich gar nicht so wichtig (oft weichen sie nicht unerheblich von meinem Geschmack ab) und werden zumeist erst nach der Lektüre gelesen. Oft wird da mir zuviel verraten und nicht selten viel der Spannung genommen. Außerdem kommt hinzu, dass ich selbst zu jedem Buch eine Rezension dort einstelle, und diese Bewertung möglichst objektiv und eigenständig daherkommen soll.
Tipps von Freunden mit gleichen Vorlieben, die auch dort angemeldet sind, verführen da viel mehr zum Kauf und sorgen in schöner Regelmäßigkeit für ein leergefegtes Bankkonto.

Caro: Als Buchhändlerin habe ich oft einen Informationsüberfluss, man kann sich unmöglich alles merken, was in den Verlagsvorschauen steht. Da muss ein Krimi schon ein besonderes Thema haben, von einem bestimmten Autor geschrieben sein oder andere Merkmale haben, damit er mir in der Flut der Neuerscheinungen im Gedächtnis bleibt.
Oft lese ich auch nach Empfehlung. Allerdings muss ich mir dann schon sicher sein, dass derjenige, der mir das Buch empfiehlt, ähnliche Ansprüche stellt wie ich.
Rezensionen lese ich gerne, aber oft wird mir darin zu viel verraten. Ich möchte lieber selbst herausfinden, wie sich eine Figur oder ein Handlungsstrang entwickelt. Ausführliche Rezensionen dienen mir deshalb eher als Info für Verkaufsgespräche (ich kann ja unmöglich alle Bücher lesen, die auf dem Markt sind). Und diese knappen Rezensionen in drei bis fünf Sätzen müssen schon richtig gut sein, damit ich etwas damit anfangen kann – sonst kann ich auch einfach den Klappentext lesen.

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