Gerhard Loibelsberger: Die Naschmarkt-Morde

Wie läppisch hätten wir sie denn gern, die Kriminalliteratur? Man hat sich ja mit vielem schon abgefunden: mit unbeholfen in die hohle Hand formulierter Regiofremdenwerblerei, dummbeuteliger special-interest-Spannung für Freunde des Kulinarischen, der Spirituosen oder einer bestimmten Tierart, mit zusammengegoogelten und besinnungsaufsatzmäßig verfassten „historischen Krimis“… sogar, wenn alles zusammenfällt, das Bieder-Regionale, das schlichtweg Präpotente, das Nichtschreibenkönnen als Attitüde – selbst dann also haut uns das nicht mehr wirklich um. Bei Gerhard Loibelsbergers „Die Naschmarkt-Morde“ allerdings kommen wir ein wenig ins Wanken.

„Ein Roman aus dem alten Wien“ ist das, präziser: aus dem Wien des Jahres 1903. Der Autor hat unter anderem an dem Buch „Wiener Weihnachtsbäckereien“ mitgearbeitet, was uns schon vorwarnen sollte. Auf dem Wiener Naschmarkt geht ein Frauenmörder um, der Ermittler kocht und isst gerne, es gibt also Kochrezepte und überhaupt sehr viel Wienerisches, was einen beeindruckenden Fußnotenapparat notwendig macht, der uns u.a. lehrt, ein „Hallodri“ sei ein „heiter-unzuverlässiger Mensch“. Tja – und Berühmtheiten treten auf, Wien 1903 halt, Wiener Moderne und so. Der Maler Gustav Klimt, Peter Altenberg, Otto Weininger… nicht dass es für die Handlung wichtig wäre (denkt man bis zum Ende und wird dann in einem Fall doch eines Besseren, d.i. Schlechteren belehrt). Ein wenig verwundert es, dass nicht plötzlich Karl Kraus um die Ecke biegt und ohne lange zu fackeln furchtbar über die artgerechte Zubereitung eines Wiener Schnitzels doziert. Passen würds schon.

Ansonsten – gäbe es nicht viel zu sagen. Es werden halt Frauen umgebracht. Dazwischen wird viel gekocht, manchmal mit präziser Angabe der Rezeptur, es wird ein wenig körperlich geliebt, die Falschen geraten in Verdacht und werden eingesperrt und wieder freigelassen, und dann hat der Ermittler so eine Art Idee und weiß plötzlich, wers war, aber der Mörder ist schon auf der Flucht, und das alles riecht so penetrant nach „Serie“, dass man schon dunkel mutmaßt, der vermisste Karl Kraus habe seinen Auftritt nur auf eine spätere Folge verschoben.

Eine Dramaturgie zum Einschlafen halt. Personal auf Untiefenniveau. Stilistisch für Kochbücher adäquat, für sonst aber nichts. Unmotivierte Morde… nein, das nicht. Das muss man dem Autor lassen. Ein Motiv gibt er seinem Übeltäter mit auf dem Weg, und jetzt wären wir doch wieder bei den Berühmtheiten, siehe oben. Einer der drei Genannten ist nämlich schuld, und wer ein wenig recherchiert, ahnt auch schon, welcher. Das ist nun so jenseits von allem, so donnernd peinlich, so aufgesetzt, dass man es kaum glauben mag. Aber man ist ja – siehe nochmals oben – abgebrüht.

Schließen wir, beifällig nickend, mit einem →Kennerzitat: „Was also tun mit diesem ganzen Biederkram, mit dieser Flachheit auf Niveau, mit dieser Langeweile im Spannungskleidchen? Warten bis bessere Zeiten kommen? Das Jammervolle und Schauderhafte hinnehmen wie’s kommt? Und auf die Katharsis hoffen?“ Ja, meinetwegen. Besser noch: einfach was Vernünftiges lesen. „Die Naschmarkt-Morde“ zum Maßstab genommen, dürfte die Auswahl riesengroß sein.

Gerhard Loibelsberger: Die Naschmarkt-Morde. Ein Roman aus dem alten Wien. 
Gmeiner 2009. 274 Seiten. 12,90 €

9 Gedanken zu „Gerhard Loibelsberger: Die Naschmarkt-Morde“

  1. Wer wird jetzt noch den Button „Jetzt bestellen bei“ drücken ?

    Da du in deiner Rezension Meister TW aus seinem Artikel „Jammervoll und schauderhaft“ zitiert hast und da dieser Artikel auf der Krimi-Couch auf wenig Verständnis gestossen ist, möchte ich dich fragen, obwohl das hier nicht der rechte Ort ist: Wie wär´s mal mit einem ausführlichen Interview mit Thomas Wörtche zur aktuellen Befindlichkeit der Krimi-Nation?

  2. Was ist denn das für eine provinzielle Rezension?
    Das klingt für mich ganz danach als hätte sich dpr einen Anlass gesucht, um eine persönliche Fehde mit Thomas Wörtche auszutragen. Ein schwacher Versuch mit unlauteren Mitteln auf Kosten eines Dritten inklusive unsachlicher Fehlinformation der potentiellen Leserschaft. Da ortet man schneLl den läppischen Versuch eines beleidigtes männlichen Egos, sich abzureagieren . Die Rezension ist fachlich nicht wirklich ernst zunehmen,keine positive Kritik, keine wirkliche Auseinandersertzung mit dem Sujet der perefkt durchgeführten Recherchen. Tatsächlich lebt in den Naschmarktmorden endlich wieder einmal das Flair des alten Wien mit seinen charmanten Ausdrücken, wunderbaren Rezepten und perfekt geschilderten Charakteren auf. Historisch und als Krimi wirklich sehr intererssant.

  3. Hm. „Unsachliche Fehlinformation“? Zeigen Sie mir bitte mal sachliche Fehlinformation, Gnä’Frau. „Beleidigtes männliches Ego“? Das wohl, denn schlechte Texte beleidigen auch die weiblichen Anteile meines Egos. „Fachlich nicht ernst zu nehmen“, weil „keine positive Kritik“? Seltsame Auffassung von Kritik. „Perfekt durchgeführte Recherchen“? Wie soll ich das beurteilen? Und was kümmerts mich bei DEM Resultat? (Außerdem Stichwort Otto Weininger. Perfekt recherchiert? Da lacht sich die Fachschaft schlapp.) Das Flair, die Rezepte und der ganze Rest, das mag Sie ja beeindrucken und ich beglückwünsche Sie zu einem Lesevergnügen, das zu haben ich leider nicht behaupten kann. Nur: Genau das habe ich auch begründet. Obs Ihnen gefällt oder nicht. Und „persönliche Fehde“… äh, wo? Ist das jetzt jedesmal eine persönliche Fehde, wenn ich jemanden schlicht und zustimmend zitiere?

    bye
    dpr

  4. Zu Ihrer Information: Fehlinformation ist eine falsche Information, unsachlich ist sie, weil sie offensichtlich auf der emotionalen Ebene und nicht auf der Sachebene vorgebracht wird. Ein wirklicher Widerspruch ist jedoch die Zustimmung, dass das männliche Ego beleidigt ist, weil die weiblichen Teile angesprochen werden! Allerdings, ein bischen mehr weibliches Ego würde Ihnen nicht schaden, dann müßten sich die männlichen Anteile nicht so machomäßig aufplustern.
    Kann man der auf sachlicher Ebene vorgebrachten Kritik Ihres Werkes (Saarbrücker Zeitung) Glauben schenken, so haben sie ja erst unlängst eine „Lesespaßbremse“ in die Welt gesetzt. Da stellt sich für mich die Frage nach Ihrer Kompetenz.

  5. Ach, meine Liebe, lassen wir das. Sie mögen meine Kritik nicht, ich mag Ihre Kritik an meiner Kritik nicht. Da wir beide sicher besseres zu tun haben, wollen wir uns damit begnügen.

    bye
    dpr

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