Gigante

Gigantisch gross ist der Supermarkt, den Jara, einen Brocken von Mann, in seinem einsamen Wachraum mit Videokameras überwacht.  Etwas verloren sitzt er dort vor seinen Monitoren, löst Kreuzworträtsel und lässt die Mitarbeiter mit kleinen Diebstählen davonkommen. Jara führt ein monotones Leben.

Eines Nachts erblickt er auf dem Bildschirm die neue Putzfrau Julia, und plötzlich gerät sein regelmäßiger Lebenstakt aus dem Gleichgewicht. Auf den ersten Blick ist Jara heftig verliebt.


In dem massigen Körper des schweigsamen Riesenbabys steckt hinter der zur Schau getragenen Lakonie große Güte und Verletzlichkeit.

Jara folgt Julia fortan überall hin – während der Arbeit per Kamera, tagsüber versteckt bei Spaziergängen, in Internetcafés, zum Karate-Kurs und sogar zu einem Date. Da Jara ein bedrohlich aussehender Typ ist, dessen Job mit Überwachung zu tun hat, könnte man ihn auf den ersten Blick als eine potentielle Bedrohung für die Putzfrau verstehen – vor allem wegen der Art, mit der er versucht, sich ihr zu nähern. Dieser Eindruck verschwindet langsam und man beginnt zu verstehen, dass sich Jara einfach in Julia verliebt hat und keine Gefahr für sie darstellt.

Doch die Liebe, die Jara sucht, scheint eine unerreichbare Sache zu sein.

Als Julia infolge eines Mitarbeiterstreiks ihren Job verliert, muss Jara sich entscheiden zu handeln oder seine Sehnsucht aufzugeben.

Der Film erzählt nicht von einer Beziehung, sondern von dem, was davor geschieht. Es geht um den Prozess, den ein verliebter Mensch durchstehen muss, bevor er zu handeln beginnt, um den Zeitpunkt, an dem er mit seinen Gefühlen und seinen schlimmsten Ängsten konfrontiert wird.
Die Stärke dieses Films liegt in wunderbarer Situationskomik und einem sicheren Gespür für Besonderheiten und Machtstrukturen in der Welt der kleinen Angestellten.  Die Stummfilm-Szenen auf den Monitoren, wenn die Azubis sich balgen oder wenn die Putzkolonne mit ihren Putzeimerwägelchen ausschwärmt sind ebenso einfach wie genial inszeniert

Fernab von Latino-Klischees und ohne die klassischen Muster der romantischen Komödie porträtiert Gigante illusionslos und realistisch das Ungewöhnliche im Gewöhnlichen.

Unterstrichen wir dies durch ruhige, überwiegend statische, aber sehr präzise Kameraeinstellungen, einen langsamen Erzählrhythmus und die präzise Zeichnung der Hauptfigur. Gigante erzählt von den großen Gefühlen kleiner Leute.

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Das sensible Portrait des Supermarktnachtwächters ist das Spielfilmdebüt von Arian Biniez.

Adrián Biniez wurde 1974 in Buenos Aires geboren. In den 1990er Jahren war er Sänger und Komponist der argentinischen Indie-Pop-Band „Reverb“. Die Band nahm zwei Alben auf und ging regelmäßig auf Tour. 2003 spielte Biniez eine kleine Rolle als Karaoke-Musiker in dem vielbeachteten Film „Whisky“. Im selben Jahr zog er nach Montevideo in Uruguay, wo er bis heute lebt. Hier begann er als Drehbuchautor für die Produktionsfirma „Taxi Films“ zu arbeiten. Er schrieb mit an der preisgekrönten TV-Serie „El Fin del Mundo“.

2005 nahm er am „Talent-Campus“ der Filmhochschule in Buenos Aires teil. Im gleichen Jahr drehte er seinen ersten Kurzfilm, „8 Hours“, der sowohl beim Independent Filmfestival Buenos Aires als auch beim Internationalen Filmfest Uruguay den ersten Preis gewann. Sein zweiter Kurzfilm „Total Availability“ lief ebenfalls im Wettbewerb des Independent Filmfestival Buenos Aires.

(Birte Gernhardt)

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Daten & Fakten

Titel: Gigante

Produktionsland: Deutschland, Argentinien, Uruguay, Niederlande

Produktionsjahr: 2008

Länge: 88 (Min.)

Verleih: Neue Visionen

Kinostart: 01.10.2009

Regie: Adrián Biniez

Drehbuch: Adrián Biniez

Kamera: Arauco Hernández Holz

Hauptdarsteller: Horacio Camandulle, Leonor Svarcas, Néstor Guzzini, Federico García, Fabiana Charlo

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