Jan Zweyer: Goldfasan

Zwei Dinge sprechen gegen „historische Krimis“: Dass sie selten die Denkweisen einer vergangenen Zeit rekonstruieren können, sehr wohl aber „Fakten“, und dass diese Fakten dann wie aus Kübeln auf die armen LeserInnen regnen, sehr zum Nachteil des Erzählduktus, nebenbei. Der Autor steckt in einer Zwickmühle. Präsentiert er zu wenig Fakten, mag dies dem Text zugute kommen, alle mit der beschriebenen Zeit nicht vertrauten Leser jedoch düpieren. Übertreibt er es, riskiert er vor lauter gutgemeintem Infotainment Stilbrüche, der Erzähler wird zum Dozenten. Schauen wir, wie sich Jan Zweyer aus dieser Lage herausgewunden hat.

Sein Kriminalroman „Der Goldfasan“ spielt im Deutschland des Jahres 1943, mitten im Krieg also, die Götterdämmerung des Nationalsozialismus hat längst begonnen, sein Terror ist noch lange nicht beendet. Hauptkommissar Peter Golsten aus Herne arbeitet für das Reichssicherheitshauptamt und schmückt sich notgedrungen mit dem Rang eines SS-Hauptsturmführers. Kein überzeugter Nazi, aber ein Bilderbuchopportunist.

Aus dem Haushalt des stellvertretenden NSDAP-Kreisleiters Walter Munder ist die junge Zwangsarbeiterin Marta spurlos verschwunden, eine heikle Angelegenheit, zumal Munder den Vorfall verspätet anzeigt. Goldsten ahnt nicht, dass er von Anfang an Teil eines Ränkespiels hinter den Kulissen ist. Sein Chef verfolgt eigene Pläne, Munder und sein Schwiegervater, ein Kaufhausbesitzer, fischen ebenfalls im Trüben. Als dann noch die Leiche eines Säuglings gefunden wird und auch hier die Spuren zu Munder und der verschwundenen Polin weisen, gerät Golsten in arge Bedrängnis. Doch damit nicht genug: Golstens Schwiegervater, ein Sozialdemokrat, versteckt einen jüdischen Kommunisten im Hühnerstall. Und einige jugendliche „Edelweißpiraten“, Widerständler gegen das Regime, sorgen für zusätzliche Komplikationen. Und im Edelbordell „Salon Kitty“ vergnügt sich die Herrenrasse, ohne zu ahnen, dass die SS immer mit dabei ist…

Man merkt schon: Das ist eine Menge historisches Holz. Zweyer entwirft ein umfassendes Zeitbild zwischen Naziterror und Widerstand, Habgier und Idealismus, Gefühllosigkeit und Tragik – und mittendrin Golsten, der Mitläufer. Er ist entscheidend dafür verantwortlich, dass „Goldfasan“ die gefährlichsten Klippen des „historischen Krimis“ umschifft. Wahrlich kein Sympathieträger, dieser Golsten, der seinen ursprünglichen Namen Goldstein „arisiert“ hat und nun das tut, was nach dem Krieg alle getan haben wollen: seine Pflicht und nichts sonst. Zu keinem Zeitpunkt hat er gute Karten in diesem grausamen Spiel, er wird „die Wahrheit“ ermitteln und damit nichts anfangen können.

Golsten also überzeugt. Auch die Menge der Informationen über die Zeitumstände findet ihren angemessenen Platz in der dichten Handlung. Die wiederum erzeugt Spannung weniger durch das übliche Täterrätselraten als vielmehr im Mit- und Gegeneinander des Personals kurz vor dem endgültigen Zusammenbruch. Ein Intrigenmaschinchen, dessen Räderwerk noch prächtig zu funktionieren scheint und gnadenlos zermalmt, was ihm in die Quere kommt.

Mit der historischen Aktzeit Vertraute mögen einwenden, es mangele dem Roman an Subtilität, seine bevorzugten Töne seien Schwarz und Weiß. Das ist richtig. Und das ist Krimi eben auch. Das scharf konturierte Standbild einer Diktatur.

Jan Zweyer: Goldfasan.  
Grafit 2009. 319 Seiten. 11,00 €

Ein Gedanke zu „Jan Zweyer: Goldfasan“

  1. Lieber dpr,

    beim Schreiben war ich mir des von Ihnen beschriebenen „Dilemmas“ sehr wohl bewusst. Man tippelt bei einem Roman, der in dieser Zeit spielt, in der Tat über einen sehr schmalen Grat, stolpert auch manchmal und muss ziemlich aufpassen, nicht rechts oder links herunterzufallen. Deshalb freut mich Ihre Besprechung. Denn so wollte ich den Goldfasan verstanden wissen.

    Grüße

    Jan Zweyer

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