Was vom Jahre übrig geblieben ist… Wir stellen in dieser Reihe einige Veröffentlichungen vor, die anfangs auf der Strecke blieben und dennoch nicht unrezensiert in unser Archiv abwandern sollten.
Die französische Elektro-Offensive von Justice und Daft Punk mit Cello und Violine in Einklang zu bringen, das gelang SomethingALaMode, kurz SALM genannt. Dahinter verbergen sich Thomas Roussel (Violine) und Yannick Grandjean (Cello). Wer gerne Air, Daft Punk und Justice hört, wird sofort erkennen können, dass auf „SomethingALaMode“ (Yellow Productions/Rough Trade) Franzosen am Werk sind. Die Songs sind unglaublich. Die Augen reiben muss man sich aber vor allem, wenn man Modezar Karl Lagerfeld im ersten Track hört. Sein Beitrag, ein mürrisches Sprechen in französischer Sprache, steht im Gegensatz zu der treibenden Disco-Musik in „Rondo Parisiano“. Da fügt sich die bezaubernde Stimme von K.Flay, der 24-jährigen Kristine Flaherty, Rapperin, Sängerin und Produzentin in Personalunion, schon besser in den SALM-Kontext ein („5 AM“). Und wenn die Disco aus ist, ist bei den beiden Franzosen Easy Listening angesagt („Easy Loving“).
Apropos Frankreich: Charlotte Gainsbourg hat ihr drittes Album fertig. Statt wie zuvor mit Air, Ex-Pulp-Mann Jarvis Cocker, Neil Hannon (The Divine Comedy) und Produzent Nigel Godrich zu arbeiten („5:55“), hat sie sich für „IRM“ (Warner) mit Beck (Hansen) eingelassen. Überraschenderweise hat dieser Gainsbourg bessere Songs komponiert als zuletzt sich selbst. Das Album steht unter dem Einfluss eines Unfalls, der sich 2007 ereignete und aufgrund dessen Gainsbourg sich einer Not-Operation unterziehen musste. Das mag mit ein Grund für den melancholischen Unterton sein. Immer wieder sind auch beschwingte Zwischentöne heraus zu hören. Der Höhepunkt ist allerdings das düster-dramatische „Le Chat Du Café Des Artistes“. Beim Vorgängerwerk „5:55“ galt noch: edler Songwriter-Pop trifft auf elegante Elektronik. Die Elektronik ist diesmal unauffindbar, die Eleganz ist geblieben. Hinzukam noch eine große Portion Beckscher Extravaganz.
Nun zu einem Big Player im internationalen Popgeschäft: Timbaland. Der war früher ein brillanter HipHop- und R&B-Produzent, hat sich aber mit der Zeit, parallel zu der massiven Kommerzialisierung des US-HipHop und -R&B, dem seichten Popmarkt geöffnet und produziert heute gute, aber keineswegs Aufsehen erregende Musik. Früher hatte er Aaliyah und Missy Elliott wahnwitzige Beats und Samples auf den Leib geschneidert. Heuer klingt jeder Song gleich und könnte – was noch viel schlimmer ist – auch von einem anderen einigermaßen fähigen Produzenten stammen. Seine Markenzeichen hat Timbaland längst über Bord geworfen. Dass er obendrein nicht auf den unsäglichen AutoTune-Effekt verzichten konnte, ist die herbste Enttäuschung. Vocoder ging ja noch, aber AutoTune ist wirklich der größte Mist überhaupt. Sorry. Wer das alles nicht glauben mag, mag sich doch vielleicht Timbalands neuestes Werk, „Shock Value II“ (Interscope/Universal), zu Gemüte führen.
(kfb)
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