Irgend wann jenseits von Seite 100 bin ich dann aus der Nummer ausgestiegen. Da gibt es einen Autor, der ganz nett schreiben kann, manchmal direkt witzig, und also schreibt er einen Kriminalroman, einen österreichischen, einen wienerischen, und wahrscheinlich hat er sie alle gelesen, diese ganze Spezerl- und Stritziwirtschaft, und das kann er halt auch und warum also nicht. Nun, darauf gibt es eine Antwort.
Weil nämlich Kriminalromane irgend einen Sinn haben sollten. Der kann darin bestehen, glaubwürdige Charaktere durch unglaubwürdige Abenteuer zu hetzen oder vice versa, aber der „Papierkrieg“, den Martin Mucha hier angezettelt hat, hetzt nur von einem Typen zum nächsten. Und Typen sind sie alle, die hier auftauchen, man kennt sie aus der österreichischen Kriminalliteratur zur Genüge, es scheint im Alpenland eh keine anderen Menschen zu geben als irgendwie witzig-schräge-grantlige.
Muss man das hier als Nummernrevue serviert bekommen? In einer Krimihandlung ebenfalls aus Versatzstücken, durch die uns ein Protagonist geleitet, dem man nichts, aber so gar nichts abnimmt? Altphilologe ist der gute Mann, notorisch unterbezahlt und dito klamm, daher zur Kleinkriminalität neigend und später wohl auch zur etwas größeren. Er ist nicht sympathisch, nicht unsympathisch, er ist einfach nichts. Ein paar altphilologische Späßlein, das schon, wie gesagt ein paar nette Witzigkeiten, die üblichen schrecklichen Tatsachen über Wiener Kaffeehäuser (passts auf die Kellner auf, mit denen ist nicht zu scherzen), hier und dazu etwas Kochrezeptartiges und ein krude durchgehechelte Handlung mit, wie auch schon gesagt, einer lustigen Parade der „Typologie der österreichischen Kriminalliteratur“.
Wer das mag, der mags halt. Kann man sich mit unterhalten, wenn man gerade den neuesten Wieninger verpasst hat. Menschen lassen sich zu ihrem Glück nicht zwingen, also versuchen wir das auch gar nicht, aber Rezensenten lassen sich auch nicht zwingen und deshalb brechen sie ab, 372 Seiten sind’s überdies, na schleicht’s euch. Habe die Ehre.
dpr
Martin Mucha: Papierkrieg.
Gmeiner 2010. 372 Seiten. 11,90 €
Da hast Du aber etliche Liter exquisiten japanischen Tee verpasst, die Muchas Ermittler im weiteren Verlauf des Romans zu sich nimmt.
Hm, Joachim, als Kaffeetrinker tangiert mich das weniger…