Helmut Zenker

Gestern gleich zweimal über den Geburts- und Todestag von Helmut Zenker (11.1.1949 – 7. 1.2003) gestolpert und für ein paar Gedanken liegen geblieben. Zenker erfand den Polizeimajor Kottan – hieß er nicht Adolf mit Vornamen? – Held einer Serie, die einem die hedonistischen 80er Jahre erträglich machte, wenn es überhaupt die 80er waren, gefühlt auf jeden Fall, keine Lust zu googeln.

Die Serie lief hierzulande zunächst in den Regionalprogrammen, ich erinnere mich flüchtig an Werbeunterbrechungen und dass es noch kein Privatfernsehen gab. (Allerdings: Ich habe inzwischen doch gegoogelt und das was ich so vor mich hin plaudere, mag nicht stimmen, auch das mit den 80ern stimmt so nicht ganz. Fakten gibt es →hier). Kottan hat einen Beinamputierten dabei und einen cholerischen Chef, der mit einem Kaffeeautomaten hoffnungslos Krieg führt. Entgegen der posthumen Einschätzung – skurril, überdreht, typisch österreichisch verschmäht – waren die frühen Folgen von einem krachenden Realismus. Das Milieu der kleinen Leute, alles auf der Haaresbreite zwischen Alltag und Wahnsinn equilibrierend, wer abstürzt, der steht wieder auf. Das ändert sich, als man den Kottan-Darsteller austauscht, den verwitterten Franz Buchrieser durch den pfiffig-verschlagenen Lukas Resetarits ersetzt. Nun wird es, ja was eigentlich? Surrealistisch? Hyperrealistisch? Keinesfalls crazy oder, böses Wikipedia, „slapstickhaft“. Nennen wir es metarealistisch. Über und unter dem humoristischen Chaos verschachtelt sich die Wirklichkeit in all ihrer brachialen Normalität und, sorry, seit ich Kottan kenne – nein, WEIL ich Kottan kenne – kann mir der ganze präzise Realismus hochgelobter Serien gestohlen bleiben, dieses Echtzeitgedöns und der beinahe sozialistische Realismus der polizeilichen Arbeitswelt. Nö, Kinners, so wird das nix.

Die letzte Folge. Die Serie ist immer mehr in diesen Metarealismus emporgestiegen, wer nach Krimihandlung sucht, steigt langsam nicht mehr durch. Der letzte Mörder schließlich ist ein Affe, und damit schließt sich auch krimihistorisch ein Kreis, das komplette Genre implodiert und fällt auf seinen Ausgangspunkt, die sattsam bekannte Poe-Story, zurück. Überhaupt haben wir es nicht mehr mit Menschen zu tun, eigentlich nie zu tun gehabt, immer nur Figuren, Figuren, Figuren, die Personifikationen von etwas anderem, das sich anders nicht fassen lässt. Das fand ich damals schon sehr schön und finde es heute geradezu hellsichtig, denn man sollte sich wieder mehr der Ursprünge entsinnen. Du kannst etwas nicht erklären, also erklärst du es. Das ist Krimi.

So, jetzt rappele ich mich wieder auf. Helmut Zenker ist tot, Adolf Kottan lebt, der alte Dichterspruch eben. Merkwürdigerweise war es immer der Beinamputierte, der mich am meisten beeindruckte. Da geht einer versehrt durch die Versehrtheiten und nie war die Heilung ferner. Auch das ist Krimi.

4 Gedanken zu „Helmut Zenker“

  1. Ich bin etwas spät dran mit meinem Senf, aber ich hab’s erst jetzt gelesen. Dieser Beitrag ist einsame Spitze und trifft ein gazes Baumarkt-Sortiment an Nägeln auf den Kopf! Ich habe ihn mir auch kopiert, weil er so schön ist und weil ich nicht Gefahr laufen will, dass er im Laufe der Zeit unter den vielen kriminellen „Aktenbergen“ verlorengeht.

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