Man durfte skeptisch sein. Ein 500-Seiter zum Thema Pädophilie? Das klingt nach einem gehörigen Quantum geschwätzig formulierter Betroffenheit, einem Mischmasch aus umständlicher Erzählung und triefender Moral, wie es einem mehrmals im Jahr auf den Schreibtisch kommt und von diesem schnell wieder verschwindet. Aber Das verbotene Zimmer erweist sich denn doch als Ausnahme von der Regel. Nicht makellos, hinnehmbar auf jeden Fall.
Hayes Roman erzählt drei Geschichten, die allmählich zu einer werden. Die kleine Ava erlebt schreckliche Dinge in einem Kinderheim. Dort es ist inzwischen ein Internat für höhere Töchter beginnt auch Frankie Jahrzehnte später ihre Arbeit. Der dritte Strang berichtet von Nina, ihrer Familie und wie das Grauen über sie hereinbricht und alles verändert. Die Zusammenhänge ahnt man schnell beziehungsweise weiß man, denn der Verlag verrät in seiner Inhaltszusammenfassung freundlicherweise schon einen entscheidenden Teil des Plots. Es geht um Pädophilie, achtzehn tote Kinder, am Rande um die Gefahren des Internets (auch ein interaktiver Chat spielt eine Rolle, was den Rezensenten besonders interessiert hat).
Mit 500 Seiten erweist sich der Roman zwar soll man sagen natürlich? als etwas zu umfangreich, man kann Sam Hayes jedoch attestieren, ihr Konstrukt mit einiger Raffinesse gewählt und auch handwerklich solide in die Welt gesetzt zu haben. Spannend ist das Buch allemal, eine Lovestory darf nicht fehlen aber genau hier tappt die Autorin in ihre eigene dramaturgische Falle. Am Ende nämlich braucht sie zweierlei: eine überraschende Auflösung und eine Art bürgerliches Happyend. Beides gelingt ihr, wenn auch auf Kosten der Wahrscheinlichkeit. Die Entlarvung des Bösewichts folgt mehr den Gesetzen des Genres als denen der Psychologie und der Alltagserfahrung, ist ergo über das Maß des Üblichen hinaus unglaubwürdig.
Gleichwohl: Das verbotene Zimmer überzeugt als souverän gestrickter Krimi, der sein unappetitliches Thema ernstnimmt und dennoch unterhaltsam erzählt.
Sam Hayes: Das verbotene Zimmer.
List 2011
(Tall-Tale. 2009. Deutsch von Carola Kasperek).
507 Seiten. 8,99