Buchmesse 2011

Prolog vor dem Theater

„Die Mayonnaise ist wieder glatt“: mit diesem enigmatischen Satz versuchte ich vor einigen Tagen auf Facebook, Freitagsbesucher der Buchmesse an den Conte-Stand zu locken. Wer mir zwischen 11 und 12 Uhr als erste/r die fünf Wörter präzise ins Ohr wispern / raunen / säuseln / tirilieren würde, der oder dem wäre ein Exemplar des fulminanten „Mord(s)kalenders 2012“ sicher. „Tolle Marketingstrategie“, lobte der Verleger und Mitherausgeber.

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Aber beginnen wir wie jedes Jahr mit dem Essentiellen. Auch heuer war die Buchmesse das einzige verbliebene Strumpfhosen-Eldorado des deutschen literarischen Betriebs. Dominierte in den Vorjahren schwarz sowohl bei Fein- wie auch bei Wollstrumpfhosen, gingen 2011 die Töne eher ins Erdfarbene, bisweilen, vor allem bei Kleinverlagen, auch ins Bunte. Dazu trugen die Damen wahlweise Stulpenstiefel, High Heels oder Ballerinas. Die Röcke waren kürzer geraten, wiewohl nicht mehr so eng, mit einem Hauch Faltenfolklore.

Am Conte-Stand herrschte reges Treiben. Als erster erschien Jochen König, Ex-Azubi bei wtd und nun stellvertretender Chef der Krimicouch. „Jetzt hab ich doch glatt die Mayonnaise vergessen“, tönte er und verlangte die sofortige Aushändigung seines gewonnenen Kalenderexemplares. Ich musste ihn enttäuschen. „War klar“, jammerte er, „meine Mädels haben auch grad wieder mal ne Pechsträhne, ich stehe unter keinem guten Stern.“ Herr König trainiert eine Damenfußballmannschaft. „Wie stehts um die neueste kriminalliterarische Entwicklung?“ wollte ich vom Experten wissen. „Jo“, antwortete dieser nach längerem Nachdenken, „da steht schon einiges.“ Um nach einer noch längeren Pause angestrengter Geistesbetätigung auszurufen: „Aber irgendwie vermisse ich dieses Jahr die schwarzen Strumpfhosen auf der Messe!“ Eine Aussage, die vom Conte-Verleger mit einem „Und ich erst“ unterstrichen wurde.

Von Jochens Besuch kaum erholt, erwartete mich eine angenehme Überraschung. Mit den besorgten Fragen „Du hast Schwierigkeiten mit der Mayonnaise? Nimmst du auch nur das gute Olivenöl?“ tauchte unvermutet die lange verschollen geglaubte Astrid Paprotta auf. Wir führten ein ebenso intensives wie für die Öffentlichkeit nicht autorisiertes Gespräch, das, soviel sei verraten, mit dem Tipp endete, eine gelungene Mayonnaise stehe und falle mit der Frische der verwendeten Eier. „Freilaufend müssen sie sein!“ gab mir Astrid als wichtigen Empfehlung auf den Weg, auf den sie sich dann machte.

Auch ich brauchte nun ein wenig Bewegung und machte mich auf zur Halle 3. Hier war es ein wenig ruhiger als in Halle 4, man kam gut voran. Bis ich in einen Pulk aufgeregt plappernder Menschen geriet. Hm, dachte ich, hier wird doch nicht gleich Sebastian Fitzek lesen? – Schon ertönte eine weibliche Mikrophonstimme: „Sebastian, Millionen Menschen fragen sich: Woher nimmst du eigentlich deine Ideen?“ Ich fragte mich, was zu tun sei und nahm schleunigst Reißaus.

„Ich hau dir die Mayonnaise glatt!“ versprach Pulp-Master-Verleger und Amateurboxer Frank Nowatzki, den ich nun an seinem Stand heimsuchte. Was, bei aller Sympathie für den wackeren Recken des Hardcore-Noir, leider auch nicht für den Gewinn eines Krimikalenders reichte. „Dafür scheiß ich dich nächstes Jahr wieder mit prima Büchern zu“, drohte der athletische Verleger. Ich versprach, es über mich ergehen zu lassen.

Zurück am Conte-Stand erwartete mich die nächste Überraschung: Norbert Horst! „Auf deiner Glatze ist Mayonnaise“ erinnerte mich der grandiose Autor an die soeben genossene Portion Original-Buchmessen-Kartoffelsalat mit Würstchen. Leider konnte der vielgefragte Autor nicht lange bleiben, versprach jedoch, die Qualität seiner Krimiproduktion auf höchstem Niveau zu halten, ja, sogar noch zu steigern. Verabschiedete sich und folgte einer aufregenden blaulila Strumpfhose, die verführerisch Richtung Suhrkamp-Stand getragen wurde.

Und zum Schluss noch die unwichtigen Dinge: Mit jedem Jahr Buchmesse wächst die Zahl der Personen, denen ich keinesfalls begegnen möchte, so dass spätestens im Jahr 2058 ein Besuch in Frankfurt unmöglich werden wird. Der Krimitrend geht zu Blauweiß: lustige Bayernkrimis, lustige Bayernkrimis, lustige Bayernkrimis. Und alle irgendwie in der Manier des Österreichers Wolf Haas. Und so glatt wie Mayonnaise.

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