Was ist die ostpreußische Ananas? Wer ist Frau Renate? Und wie macht man Kartoffelchips selbst? Der Jubiläumsband fürs Dr. Oetker-Schulkochbuch weiß Rat: die ostpreußische Ananas ist die Rübe! Frau Renate kam als Dr. Oetker-Werbefigur in den Fifties. Und für „Pommes chips“ lässt man dünne Kartoffelscheiben in Backfett schwimmen und bestreut sie mit Salz.
Jawohl, das Dr. Oetker-Schulkochbuch ist schon hundert! 1911 ging´s los, um Frauen zu retten, die nicht mehr automatisch bei ihren Mamas das Kochen lernten. Außerdem war man in Bielefeld fleißig dabei, mothers little helper in Tüten abzufüllen: Backpulver und Puddingpulver. Sehr schlau von Dr. Oetker, beim Volk die Kochkunst durch passende Bücher am Leben zu erhalten, damit seine Tütchen auch schön Absatz finden. Man musste mit der Zeit gehen: sowohl in der Tütchenfabrik als auch in den Büchern. Und so ist die Geschichte des berühmten Schulkochbuchs auch eine Geschichte (West-)Deutschlands.
Süße Graupensuppe, Wurstbrei und Arme Ritter gehören zu dieser Geschichte. So wie die Schinkenröllchen und der Tutti Frutti-Obstsalat. Aber die Rezepte sind nur das eine. Das Dr. Oetker-Schulkochbuch gibt auch andere Infos. Etwa zu Lagerung und Nährstoffen. Oder eine Kochkisten-Anleitung. Kochkiste? Ja, da stellte man den Topf rein, nachdem er kurz erhitzt worden war. Dann konnte er in der Kiste gut eingemummelt weitergaren, ohne dass man ihm weiter einheizen musste. Schließlich war Brennholz oft knapp oder einfach zu teuer.
Das Schulkochbuch stellte sich auf Volksherd und „Küchenwunder“ ein -für Kochen, Braten und Dünsten kamen neue technische Helfer. Im Krieg fehlte Fleisch: vegetarische Rezepte mussten her! Und vom Fleisch sollte auch noch das letzte Fitzelchen verwertet werden. Es kamen die Schulkochbuch-Varianten E und G: Elektrisch und Gas. Und der Umstieg auf E war gar nicht einfach: was tut frau, wenn sie sich auf Herdschalter verlassen muss anstatt die Flamme direkt zu sehen?
Mit den 50ern wurde es bunt und exotisch. Konserven und Kühltruhe schufen neue Möglichkeiten. Und schon musste das Dr. Oetker-Schulkochbuch auch Tipps geben, damit Herr und Frau Normalverbraucher nicht immer weiter zunehmen. Bio- und Asia-Welle wurden vom Schulkochbuch großzügig umarmt, und natürlich wurden auch die Gourmets nicht links liegengelassen.
Das Jubiläumsbuch „Iss doch wenigstens das Fleisch!“ ist kein Kochbuch, kein Best of-Rezeptband. Es ist eine Augenweide, ein Buch zum Gucken, Staunen und Erinnern. Mit dem berühmten Ach jaaa-Effekt. Dieses Schulkochbuch hatte meine Mama! Und dieses hier hab ich bekommen, als ich zuhause ausgezogen bin… Mann, Toast Hawaii gab´s bei uns früher auch. Und die Puddingwerbung kenn ich noch aus alten Zeitschriften. So oder anders wird´s beim Lesen klingen.
Klar sind hier die ganzen Dr. Oetker-Schulkochbücher mit ihren Covern zu sehen. Und ein paar Rezeptchen gibt´s auch: Biersuppe, Berliner Luft, Nasi Goreng in Blätterteig… Auf Fotos gibt´s ein Wiedersehen mit dem Trimm Dich-Männchen, mit einem frühen Supermarkt und einem Dr. Oetker-Werbeauto. Das ist sowieso ein spannendes Kapitel für sich: die Dr. Oetker-Werbegeschichte. Von Frau Renate über den Märchenwagen bis zu Vico Torriani und Wanderbackkursen! Deko und Styling waren immer schon Stärken von Dr. Oetker, die werden im Jubiläumsbuch natürlich ausgespielt.
Neben dem Streifzug durchs Schulkochbuch liefert der Band auch eine allgemeine Chronik zur Zeitgeschichte, von Chanel Nr.5 über die Sissi-Filme bis zu Tamagotchi und Harry Potter. Okay, das Schulkochbuch ist immer Ausdruck seiner jeweiligen Epoche, aber auf die allgemeine Chronik kann man eigentlich gut verzichten. Spannend und interessant wird´s sofort, wenn vom Kochen und dem Schulkochbuch erzählt wird. Wenn´s um westfälisches Blindhuhn, Kohlrabischnitzel und Schnellkochtopf geht. Da ist das Schulkochbuch-Archiv unschlagbar, und das Wichtigste daraus hat man sehr unterhaltsam in den Jubiläumsband gesteckt. Mjam. Auf die nächsten hundert Jahre eines Koch-Klassikers!
Dr. Oetker
Iss doch wenigstens das Fleisch! 100 Jahre Schulkochbuch - 100 Jahre Ernährungskultur
Dr. Oetker Verlag
10,00 €
Wie geil! Muss ich haben. Äh, hallo Christkind?!