Sommerkrimi -2-

Kein Zweifel: Der sogenannte „Island Krimi“ (sein Markenzeichen ist der fehlende Bindestrich) erfreut sich bei deutschen Lesern zunehmender Beliebtheit. Arnaldur Indridason nähert sich dem Bestseller-Status, Stella Blomkwist schreibt für ihren Verleger schwarze Zahlen – und Viktor Arnar Ingólfsson beweist mit seinem Erstling „Das Rätsel von Flatey“, dass die Insel im Nordatlantik mit ihren knapp 270.000 Einwohnern jederzeit für Nachschub sorgen kann.

„Das Rätsel von Flatey“ spielt 1960 auf der gleichnamigen Insel im Breidafjord in Islands Westen. Auf einem öden Eiland wird die schon stark verweste Leiche eines Unbekannten gefunden, der Vertreter des Bezirksamtmanns soll den Fall klären, aber er ist neu, überfordert und hat mit eigenen Leichen im Keller genug zu tun.

Sehr schnell wird klar, dass der Schlüssel zur Klärung des Verbrechens in jenem mittelalterlichen Sagabuch zu finden ist, mit dem die Insel berühmt wurde. Ein Rätsel ist damit verbunden, 40 Fragen, die sich auf den Inhalt der Sagas beziehen. Der Tote, irgendwann als Handschriftenforscher aus Dänemark identifiziert, war der Lösung auf der Spur. Musste er deswegen sterben?

Ein Whodunnit, wie man ihn sich wünscht, sollte man meinen. Aber noch bevor der große Showdown über die Bühne geht (und es ist eine der Stärken des Buches, dass eigentlich von groß und Showdown keine Rede sein kann), hat uns etwas anderes in seiner Gewalt: Ingólfsson stupendes Talent, seine Geschichte sehr gemächlich und genau zu entwickeln und ein glaubhaftes Personal dazu. Die Gegenwart des Insellebens ist mit der historischen und privaten Vergangenheit der handelnden Personen kunstvoll verwoben, und so entsteht – anders als beim Seelenklempner Indridason und der schnoddrigen Pulp-Ziege Blomkwist – das Bild eines zwar nicht akuellen, aber faszinierenden Islands. Schön übersetzt von Coletta Bürling.

Man muss im Sommer nicht immer an imaginären Karibikstränden abhängen; deftige nordatlantische Brisen können bisweilen erholsamer sein.

Viktor Arnar Ingólfsson : Das Rätsel von Flatey. Lübbe 2005, 8,95 €

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