Die andere Meinung

Das Kontroverse von Literaturkritik, wie es →hier vor einigen Tagen beschworen wurde, verstummt vor dem Meisterwerk. Man ist sich einig. Meisterwerke gibt es wenige, Robert Littells „Die kalte Legende“ ist eins, sogar bei den Rezensenten. Aber nein, nicht bei allen. Heute schreibt Katharina Granzin im →taz magazin folgenden denkwürdigen Satz:

„Martin Odum, Privatdetektiv mit CIA-Vergangenheit, quält sich mit der Ungewissheit darüber, welche seiner „Legenden“, wie die CIA die erfundenen Identitäten ihrer Agenten nennt, sein wahres Ich sei.“

Das Dumme daran: Es stimmt nicht, subjektive Kriterien hin, subjektive Kriterien her. An keiner Stelle von „Die kalte Legende“ QUÄLT sich Martin Odum. Dümmer noch: Das Buch wimmelt nur so von Menschen mit mehreren Identitäten, was kein Zufall ist und wohl etwas mit des Autors Intention zu tun haben könnte, mithin selbst in einer Kurzrezension erwähnenswert sein dürfte, nicht aber bei Granzin. Der deshalb auch entgangen ist, dass KEINE dieser Personen unter „Persönlichkeitsspaltung leidet“, wie es Odum unterstellt wird.

Dass Granzin Jenny Silers „Ticket nach Tanger“ (kein schlechtes Buch) höher schätzt als Littells „Legends“, nun ja, soll sie. Wie man ein Buch lesen kann, ohne seinen Clou zu erkennen, der nicht einmal mühsam dechiffriert werden muss, sondern wie die Alltäglichkeit daherkommt, die er ist: unverständlich. Darüber kann man nicht streiten.

2 Gedanken zu „Die andere Meinung“

  1. Ja, lieber dpr, so lange Rezensenten nicht gründlich lesen, kann man sich Diskussionen über die Kriterien literarischer Wertung und den Sinn vergleichender Literaturkritik, ein Thema, über das wir erst neulich so angeregt plauderten, vielleicht sparen.
    Schönes Wochenende
    Joachim

  2. Das Schlimme daran ist, lieber Joachim, dass eine gründliche Lektüre hier noch nicht einmal notwendig gewesen wäre. Das ist, als würde ich behaupten, Joyces „Ulysses“ spiele im Detmold des ausgehenden 18. Jahrhunderts. Mit dieser Behauptung wäre jede Grundlage für eine Diskussion entzogen.

    bye
    dpr

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