Armselig

„Mehr noch als in der avancierten Literatur scheint die Beurteilung eines Kriminalromans eine Frage persönlicher Vorlieben, des Temperaments, des Geschmacks und nicht zuletzt des Zeitgeistes zu sein. Objektivierbar ist – schaut man sich die Kritiken oder auch nur die Reflexe der Leser an – offenbar fast nichts.“

Da hat er verdammt Recht, der →Jan Seghers. Die Literaturwissenschaft gehört nicht zu den exakten, das Rezensionswesen gar ist aus pragmatischen Gründen nicht immer Literaturwissenschaft. Und so kommt es, dass Seghers Neuling „Partitur des Todes“ bislang eher gemischte Besprechungen eingefahren hat, lobende wie tadelnde, einen Totalverriss indes noch nicht, aber kann ja noch kommen, denn, siehe oben, objektivierbar ist offenbar tatsächlich nichts.

Und die Reflexe der Leser am allerwenigsten, wie es scheint, auch die auf die Rezensionen selbst. So ringt sich ein Seghers-Leser im Gästebuch der Autoren-Webseite etwa zu einem „Glückwunsch zum gelungenen Krimi und zur armseligen Rundschaukritik“ auf, und ein anderer konstatiert, wie „frappierend die Ahnungslosigkeit der Rezensentin in der Frankfurter Rundschau vom Genre“ doch sei.

Diese Rezensentin heißt →Sylvia Staude und sie gehört zu denen, deren Daumen nach der Lektüre eher nach unten weist. Ihre Begründungen aber haben mit den Genre nichts zu tun. Staude moniert logische Fehler in Seghers‘ Text und seinen eher obenflächlichen Umgang mit der Sprache. Dinge also, die durchaus „objektivierbar“ sind. Der einzige Genrereflex betrifft die von Seghers selbst lancierte Annahme, er sei der „Frankfurter Mankell“. Staude kommentiert dies mit einem „na ja“.

Und was lernen wir daraus? Mag auch die Literaturkritik letztlich auf subjektiven Parametern ruhen (und wer könnte daran im Ernst zweifeln?), so gibt es doch das eine oder andere Kriterium, dem wir eine gewisse Exaktheit nicht absprechen können. Mit eben dieser Exaktheit können wir auch gewisse Leserreaktionen auf Rezensionen verifizieren. Sie sind schlicht armselig und offenbaren eine frappierende Ahnungslosigkeit vom Genre.

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