Jetzt sitz ich in der Patsche. Eigentlich sollen Rezensionen ja keine verkappten Nacherzählungen des Inhalts eines Buches sein; Leser und Leserin erwarten Analyse, Einordnung, Wertung, bei möglichst knapper Wiedergabe wichtiger Handlungsfundamente. So soll das sein. Bei Ernst Solèrs „Staub im Schnee“ geht das aber nicht. Sprich: Es gibt wenig zu analysieren, wenig einzuordnen, wenig zu bewerten. Das ist einfach nur ein netter Krimi, der sich gut liest, einem weder die Welt erklären noch von einer bis dato unbekannten Seite zeigen möchte.
Ist das jetzt positiv oder negativ? Hm. Jedenfalls, damit wir das Inhaltliche hinter uns bringen: Hauptmann Fred Staub von der Zürcher Kantonspolizei und seine KollegInnen müssen den Mörder eines Fernsehmoderators finden. Sie geraten dabei in das flirrende Ambiente des Schweizer Fernsehens, wo zwischen grantigen Regisseuren und adretten Redakteuren die höchste Schwulendichte Zentraleuropas festzustellen ist. Es gibt die üblichen Wirrungen, den üblichen zweiten Mord, die üblichen kleinen privaten Turbulenzen im Hauptmannsleben, das übliche Krimiende. Und ein Glossar mit typisch schweizer Ausdrücken, zum Beispiel „Natel“, was der Deutsche als „Handy“ ans Ohr hält, oder „Chavelwasser“ für Eau de Javel, ein Bleichmittel, das der Saarländer in überraschender Verschwisterung mit dem Alpenländischen als „Schawellewasser“ kennt.
Noch einmal: Positiv oder negativ? Eigentlich: positiv. Denn – und jetzt hab ich doch noch den Dreh weg vom Inhalt zum Grundsätzlichen gefunden – so zahlreich wie man vielleicht glaubt ist diese Sorte Lesefutter, das Soler hier anrührt, gar nicht. Handwerklich reifes Erzählen, um pure Unterhaltung zustande zu bringen, die Leserschaft mit Figuren zu konfrontieren, wie man ihnen auf durchschnittlichen Parties begegnet: nicht sonderlich anregend, aber sie nerven auch nicht, schon gar nicht, wenn genügend Alkohol vorhanden ist. Der Krimi als „Gesellschaftsroman“, als „Denkanstoß“, als „Psychogramm“? Nö. Nicht unbedingt. Die Fernsehfritzen haben halt kriminelles Potential – aber wer einmal seine Nase in eine Redaktionsstube gesteckt hat, weiß das eh. Man liest diesen Roman einfach so weg, vorzugsweise vor dem Schlafengehen, das ist schon sehr angenehm, weil man dann normalerweise zu müde ist, noch groß den Krimikritiker zu mimen. Alles dreht sich ums Wer-war’s? – und das wird einigermaßen zufriedenstellend aufgelöst.
Noch was? Mir fällt nichts mehr ein. Wenn Sie also einen netten Krimi suchen, den sie nach der Lektüre garantiert sofort wieder vergessen werden – hier ist er. Und ich meine das wirklich positiv. Und kostet auch nur Achtfuffzig.
Ernst Solèr: Staub im Schnee.
Grafit 2008. 217 Seiten. 8,50 €