Sollte „Ein nasses Grab“ als Reginald Hills größtmögliche Annäherung an eine klassische Konstellation des Rätselkrimis gedacht sein, dann ist sie gelungen. Eine überschaubare Menge Personal in einem (beinahe) geschlossenen Raum, mysteriöse Todesfälle und mittendrin als Ermittler Andrew Dalziel. Das hat was – unter anderen auch Schwächen.
Ganz kurz die Story. Dalziels bewährter Sideman Peter Pascoe heiratet seine Ellie und verschwindet mit ihr in die Flitterwochen. Dalziel verschwindet nach der ländlichen Feier in einen ungeliebten Urlaub, der sehr bald mit Autopanne und hochwasserbedingt im Hause der Familie Fielding endet, deren Oberhaupt vor kurzem den Unfalltod sowie das titelgebende nasse Grab gefunden hat. Seine Witwe, die dralle Bonnie, trauert nicht, die Kinder und Familiengäste ebenso wenig. Sie haben andere Sorgen, Probleme finanzieller Natur. Langsam steigt Dalziel hinter die Geheimnisse des Clans und kommt nicht nur ihnen, sondern auch der bereitwilligen Bonnie näher.
Ist natürlich alles großartig erzählt und schon deshalb eine sichere Lesebank für die Freunde Reginald Hills und seiner elegant hintersinnigen Art, seines literarischen Spieltriebs und seiner Lust an der politischen Unkorrektheit, wie sie sich in Dalziel personifiziert. Doch genau diese sichere Bank Dalziel ist Hill diesmal eine Spur zu tiefenpsychologisch, grübelnd existentialistisch geraten. Dalziel grübelt über den Sinn seines Lebens, na schön, aber die daraus entstehenden Konflikte des Privatmanns mit der Polizeiperson kommen ein wenig zu oberflächlich und aufgesetzt daher. Etwas zu grob auch die Zeichnung des übrigen Personals. Am Ende wird dann die Lösung aus der Überraschungstüte gezogen, Rätselkrimilogik halt, und natürlich war man auf diese Volte vorbereitet.
Eine Empfehlung für Freunde von Dalziel und Pascoe (der in den letzten Kapiteln wieder auftaucht, ohne wirklich gebraucht zu werden) ist „Ein nasses Grab“ allemal. Hill ist Hill und Hill schreibt keine schlechten Bücher. Der Text stammt übrigens aus dem Jahr 1975, der vierte Fall, aber über die gruselige Editionsgeschichte in Deutschland wollen wir uns an dieser Stelle gar nicht aufregen. Erbauliche Lektüre für Hill-Liebhaber, für Einsteiger in die Welt seiner Romane aber denkbar ungeeignet. Es sei denn, sie brauchen die sanfte Überleitung vom Rätsel- zum Hillkrimi.
dpr
Reginald Hill: Ein nasses Grab. Knaur 2011
(An April Shroud, 1975. Deutsch von Silvia Visintini).
362 Seiten. 8,99 €