Eine persönliche Anekdote vorweg: Ende der siebziger Jahre schickte ich, „blutjunger Autor“, eine schmale Novelle zur Begutachtung an das Lektorat des Suhrkamp Verlags. Kein Krimi, aber eine leicht ins Mysteriöse driftende Geschichte. Sie kam nach zirka zwei Monaten zurück und enthielt den mir seither ins Gedächtnis gebrannten Satz: „Sie haben unbezweifelbar Talent zum Unterhalter“. Das war, aus der Feder eines Suhrkamp-Lektors, natürlich das Todesurteil.
Das Werklein wurde nie veröffentlicht (und ich ertappe mich dabei, diesen Umstand heute zu begrüßen…), das Suhrkamp-Verdikt blieb das einzige unter etlichen, die sich in Formschreiben („passt leider nicht in unser Programm…“) erschöpften, dem man entnehmen konnte, der Text sei tatsächlich gelesen und beurteilt worden.
Jetzt also lanciert Suhrkamp eine Krimireihe. Unterhaltung also. Oder doch nicht? E-Literatur? Literarische Krimis? Mehr als Krimis? Man lächelt. Nein, mit nichts, aber auch gar nichts wird sich Suhrkamp hier herausreden können: Sie veröffentlichen Spannungsliteratur, die, wenn man ihr das Unterhaltende, das zutiefst Triviale abziehen würde, keine Spannungsliteratur mehr wäre. Und warum tun sie das?
Um Geld zu verdienen. Doch, auch Suhrkamp muss Geld verdienen. Für alle Spätgeborenen: Suhrkamp war bis vor einigen Jahren der deutsche Verlag, dem man eine intellektuelle Meinungsführerschaft in gewissen Kreisen zugestehen musste. Die „Suhrkamp-Kultur“. Das ist, wie gesagt, ein paar Jährchen her, die Zeiten haben sich geändert. Neben den eher „intellektuellen“ Texten brauchte auch Suhrkamp marktgängigere Ware und fand sie u.a. in der „Phantastischen Bibliothek“, einem durchaus mit Unterhaltung kontaminierten Projekt. Und nun: Krimis.
Was kaum der Erwähnung wert wäre. Ein Verlag richtet sich eine Krimiecke ein. Er präsentiert sechs Titel – kein deutschsprachiger darunter -, die, wie man hört, nicht schlecht sein sollen. Wunderbar. Das ist aber kein Alleinstellungsmerkmal. Gute Krimis (ich definiere das jetzt nicht…) gibt es auch in anderen Verlagen, in großen, in mittleren, in kleinen. Sie sollen nicht nur gut, sondern auch „gut verkäuflich“ sein, wie man aus dem Hause Suhrkamp hört. Auch das versteht sich.
Aus dem Hause Suhrkamp kommen indes auch andere Töne. Man habe plötzlich „Lust auf Krimi“. Vor acht, zehn Jahren schon sei eine Krimireihe angedacht worden, jedoch an mangelndem Personal gescheitert. Das ist, mit Verlaub, grober Unfug. Dieses fachkundige Personal hätte sich auch damals leicht finden lassen, und es war wohl die Angst vor dem „Schmuddelkind“ Krimi, die Suhrkamps Gang in die definitive Volkstümlichkeit verzögerte.
Aber jetzt ist es passiert. Na und? Krimiliebhabern ist es wurscht, ob ein Buch bei Suhrkamp oder Goldmann oder Bastei erscheint. Krimiverächter werden nicht zu Krimiliebhabern, nur weil sie sich hinter dem Gütesiegel Suhrkamp verbergen und ihre Intellektualität wenigstens nach außen hin wahren können.
Fällt jetzt die vom Kollegen →Gohlis erkannte Chinesische Mauer zwischen U- und E-Literatur? Nun, sie ist auch um keinen Stein kleiner geworden, als Hanser anfing, Krimis zu veröffentlichen. Wäre auch merkwürdig. Denn wer heute noch zwischen U und E unterscheidet, dokumentiert damit nur sein generell gestörtes Verhältnis zur Literatur im Allgemeinen. Sollte es diesbezüglich zu Diskussionen kommen – es ist leider anzunehmen -, werden sie aller Voraussicht nach in den Versuchen enden, den Krimi zu nobilitieren – und damit zu dem führen, was der Kollege →Klingenmaier völlig zu recht zu „Mehr als ein Krimi, vermutlich also weniger“ verschlagzeilt hat. Unsere Nackenmuskulatur, die auch von ungläubigem Kopfschütteln gesundheitlich profitiert, freut sich schon darauf.
Was also gibt es dazu zu sagen, dass Suhrkamp jetzt Krimis macht? Dass sie, erstens, Geld verdienen wollen. Und, zweitens, sich mit gelungenen Krimis profilieren müssen. Drittens: Um den Krimi wird man sich nicht verdient machen, wenn man gut verkäufliche Ware anbietet. Einige „unverkäufliche“ sollte es vielleicht auch sein.
Der Name hilft nichts. U- und E-Debatten sind sinnlos und haben lediglich geringen Unterhaltungswert. Positiv: Es ist anscheinend das Ökonomische, das die Kriminalliteratur wenigstens äußerlich in den Kreis der „Hochliteratur“ einführt. Negativ: Sollte Krimi irgendwann nicht mehr „gehen“, wird er wieder in die Schmuddelecke gestellt. Freunden und Freundinnen avancierter Kriminalliteratur kanns egal sein.
dpr