Ernst Solèr: Staub im Paradies

Ernst Solèr, der voriges Jahr im Alter von erst 48 Jahren verstarb, gehörte zu der lobenswerten Gattung solider Krimihandwerker. Die Bücher des Schweizer Autors sind unaufdringlich, schlagen selten über die Stränge, unterhalten bestens. Auch das letzte Abenteuer des Zürcher Kommandanten Fred Staub wuchert mit Solèrs Qualitäten – einige Misstöne inklusive.

Den wackeren Polizeibeamten, der gerade einen Karrieresprung gemacht hat und darob nicht glücklich scheint, führt es diesmal mitsamt Familienanhang nach Sri Lanka, wo das Töchterlein in einem Anti-Malaria-Projekt arbeitet. Auf der Fahrt zum Camp wird ein Schweizer Wissenschaftler Opfer eines Attentats – Werk der „Tamile Tigers“, Exponenten im blutigen Bürgerkrieg? Staub kann auch im Paradies das Ermitteln nicht lassen – und gerät wie nicht anders zu erwarten in beträchtlichen Malaisen.

Derweil im gutbürgerlichen Zürich das Staubteam in einem Fall aktiv sein muss, der ebenfalls in Richtung Sri Lanka verweist. Ein Tamile wird hinter einem Kino erstochen aufgefunden. Über seine Identität, seinen Aufenthalt in der Schweiz weiß man nichts.

Solèr erzählt Staubs turbulent-exotische Wirrungen in der ersten Person Singular, Gegenwartsform, während seine Schweizer Kollegen sich wie gehabt in der dritten Person Singular, Vergangenheitsform bewegen. Das hat keinen tieferen Sinn, macht die alternierend erzählten Geschichten aber ein wenig abwechslungsreicher. Wie gehabt bleibt Staub der sympathische, manchmal etwas bärbeißige Ermittlungsterrier, den Drohungen und Mordanschläge nicht schrecken. Mit einigen Getreuen nimmt er den Kampf gegen die übermächtig erscheinenden Bösewichte auf.

Ja, und da hätten wir das erste Manko des Romans. Diese Galerie der Bösen nämlich ist ziemlich overdressed, das Bösesein steht ihnen wie dick aufgeschminkt im Gesicht. Der tyrannische General, der zwielichtige Leiter des Tsunami-Hilfsprojekts, der dubiose deutsche Geschäftsmann – böse sind sie halt, mehr aber leider nicht. Nun kann man von einem knapp über die 200-Seiten-Marke geschriebenen Werk, das mit einer ordentlichen Zahl von Orten, Themen und Handlungsfäden daherkommt, keine große Tiefenschärfe erwarten, weder personell noch gar die politisch-sozialen Hintergründe des Bürgerkriegs auf Sri Lanka betreffend. Mal hier, mal dort leuchtet Solèr in die wirren und tragischen Verhältnisse, das macht er tatsächlich gut, und wenn es jemanden dazu inspirieren sollte, sich ein wenig näher mit den Dingen zu beschäftigen, wäre das ein schöner Nebeneffekt.

Dennoch: Der Fall wird leicht hektisch entwickelt, die Auflösung überzeugt nicht wirklich. Und was für den Mord auf Sri Lanka gilt, gilt auch für den in Zürich. Beide Untaten gehören selbstverständlich zusammen, wir werfen einen Blick ins Schweizer Emigrantenmilieu, werden aber zu sehr von den Gedankengängen der Polizeiprotagonisten abgelenkt. Ob die nun eine neue Liebe am Horizont sehen oder damit spielen, den Job hinzuwerfen, ist zwar als das übliche Krimiromangemenschel nicht verwerflich und wird auch nicht überstrapaziert – auf Kosten eines vielleicht etwas tieferen Einblicks in die Welt der emigrierten Tamilen geht das aber schon.

Bleibt als Fazit: Auch diesen Solèr kann man mit einigem Unterhaltungsgewinn lesen. Seine Schwächen übertüncht das indes nicht.

Ernst Solèr: Staub im Paradies. 
Grafit 2009. 222 Seiten. 8,50 €

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