Ist es Lob oder Tadel, einem Kriminalroman zu bescheinigen, er lese sich „nett“? Wohl beides. Robert B. Parkers Spenser-Romane um den Schnüffler aus Boston und seine skurrilen Helfershelfer gehören jedenfalls in diese Schublade der netten Krimis, bei deren Lektüre man vor Enttäuschungen sicher ist, aber auch keine wirklich aufregenden Erkenntnisse erwarten darf. Das liest sich eben. Routiniert, flott, mit ein wenig Tiefgang, pointierten Dialogen und der üblichen Action der Sorte „Spenser und Co. haben immer den letzten Schlag“.
„Hundert Dollar Baby“ beschert uns ein Wiederlesen mit April Kyle, dem einst von Spenser vor brutalen Zuhältern geretteten Mädchen, das inzwischen eine Frau und selbst eine Zuhälterin ist. Sie führt ein Luxusbordell, aber es gibt Probleme. Böse Männer, die auch ihr Stück vom Kuchen abhaben wollen. Freund Spenser, mit väterlichen Gefühlen ausgestattet, hilft April aus der Patsche, muss dann aber erkennen, dass die Sache nicht so geradlinig ist, wie April sie dargestellt hat. Ein Gangster wird ermordet, ein weiterer taucht auf, die Geschichte verlagert sich nach New York, doch wo auch immer: Spenser kennt genügend hilfsbereite Detectives, die ihn, wenn auch manchmal knurrend, ermitteln lassen, als wäre er ein richtiger Polizist.
Natürlich endet das Ganze tragisch. Kaum anders zu erwarten, entwickelt Parker doch eine Art psychologisches Lehrstück über Prostitution. Da kommt es gerade recht, dass Spensers Freundin Susan in der Seelenklempnerbranche tätig ist und manch tiefe Weisheiten zum Besten gibt. Andererseits aber ist „Hundert Dollar Baby“ keine zum Krimi aufgepustete Binsenweisheit. Alles ist ambivalent, schon dass Spenser die kleine April damals den Zuhältern entzog, um sie „seriös“ zur Prostituierten ausbilden zu lassen, darf man als ungewöhnlich bezeichnen. Und April selbst? Schwankt zwischen Männerhass und der Sehnsucht nach harmonischer Zweisamkeit, wird von Männern benutzt und benutzt ihrerseits Männer.
Das ist zunächst mal ganz in Ordnung, wirkt in seiner leicht aufdringlichen Art aber auf Dauer ein wenig lästig. Insgesamt spult Spenser natürlich das ganze bekannte Programm ab, mit coolen Jungs und harten Ganoven, flotten Sprüchen und lockerer Analyse. So liebt es der Spenser-Freund. Ist eben alles sehr nett, in guten Dosierungen witzig, manchmal nervig, im Ganzen jedoch unterhaltsamer als vieles andere.
Robert B. Parker: Hundert Dollar Baby.
Pendragon 2009. 206 Seiten. 9,90 €
(Hundred-Dollar Baby, 2006. Deutsch von Emanuel Bergmann)
So ist es.
Ganz genau so ist es. Und es nervt nicht so wie das „Menscheln“ in vielen anderen Krimis (Töchter, Sohne, Mütter, Väter mit Problemen, Beziehungsprobleme und ua. Probleme, die meistens mit dem Plot nichts zu tun haben, aber die Seiten füllen).