Noch hat die diesjährige Buchmesse ihre Tore nicht geöffnet, da steht das beherrschende Thema – jedenfalls für das Produktsegment Krimi – schon fest: der im Rabiat Verlag Wolfsburg pünktlich zum Messebeginn angekündigte Roman „Der Schrei der Edelfeder“ von Elsa Land (Pseudonym). Doch warum erregt dieses Buch die Gemüter? Weil es, wie der Topkritiker P. Zürn beklagt, „einfach doof“ ist oder, so der Verleger Erasmus Schmidt, „der letzte mögliche Tabubruch des Genres“? wtd sprach mit Schmidt über das Buch, den Verfasser und das Thema.
Wtd: Herr Schmidt, woher rührt die ganze Aufregung um „Der Schrei der Edelfeder?“ Brüstet sich heutzutage nicht jede zweite Neuerscheinung damit, „Tabus zu brechen“?
Schmidt: Ja, leider. Es ist wohlfeil geworden, über Dinge zu sprechen, über die angeblich noch nie zuvor gesprochen wurde, und dann stellt sich heraus, dass seit zwanzig Jahren über nichts anderes gesprochen wird. Aber „Der Schrei der Edelfeder“ ist in mancherlei Hinsicht anders. Er spricht aus, was jeder weiß, doch noch niemals zu sagen wagte.
Wtd: Und das wäre?
Schmidt: Krimikritiker sind Schweine.
Wtd: Äh…ja.
Schmidt: Oder sehen Sie das anders?
Wtd: Nun…sie benehmen sich gelegentlich wie…
Schmidt: Sehen Sie, schon geraten Sie angesichts des Tabupotentials dieses Themas in artikulatorische Schwulitäten. Aber eigentlich wissen Sie es doch. Wo immer zwei oder mehr Produzenten von Spannungsliteratur zusammenkommen, gibt es nach fünf Minuten nur einen Gesprächsgegenstand: die schweinische Krimikritik. „Der Schrei der Edelfeder“ formt diesen Gegenstand zu hochwertiger Kriminalliteratur.
Wtd: Schön. Um was geht es also in diesem Buch?
Schmidt: Eine Gruppe entrüsteter Autorinnen und Autoren stürmt eine Konferenz des „Dreckigen Dutzends“, einer Clique von Krimikritikerinnen und Krimikritikern, die in diesem Lande darüber bestimmen, wer gelobt wird und wer nicht, wer Preise bekommt und wer nicht, wer überhaupt der Öffentlichkeit präsentiert oder totgeschwiegen wird. Ihre Forderung ist so banal wie einleuchtend: Sie möchten endlich Gerechtigkeit. Und, nebenbei, 60 Millionen Euro in kleinen Scheinen.
Wtd: Hm. Klingt äh…spannend.
Schmidt: Ist es auch. Denn was so herkömmlich beginnt, entwickelt sich allmählich zu einem nun ja: reinigenden Albtraum. Obwohl man auf die Forderungen der Autoren eingeht, wird ein Kritiker nach dem anderen ermordet. Und fragen Sie nicht, wie! Größere Scheußlichkeiten sind in der deutschen Kriminalliteratur noch niemals ausgebreitet worden. Da werden Menschen genüsslich gekocht, lebendig zerlegt, langsam durchbohrt und als Höhepunkt müssen sie sich gegenseitig ihre Rezensionen vorlesen. Und warum das alles? Weil die Autorinnen und Autoren erkannt haben, dass es kein größeres Vergnügen gibt, als Kritiker zu töten. Pfeif auf die Gerechtigkeit, wenn du die Möglichkeit hast, es diesen Burschinnen und Burschen heimzuzahlen.
Wtd: Sehr schön. Kommen wir zum Verfasser beziehungsweise der Verfasserin. Wer ist Elsa Land? Welche Person verbirgt sich hinter diesem Pseudonym?
Schmidt: Keine PERSON.
Wtd: Sondern?
Schmidt: Viele PersonEN!
Wtd: Hm. Wie ist das zu verstehen?
Schmidt: Ganz einfach. Bei „Der Schrei der Edelfeder“ handelt es sich um einen Kettenroman mit ungefähr 500 Seiten. Jede Seite wurde von einem anderen Autor, einer anderen Autorin verfasst.
Wtd: Das bedeutet…. wir fassen es nicht.
Schmidt: Ja, auch in dieser Hinsicht stößt „Der Schrei der Edelfeder“ in ungeahnte Dimensionen vor. Ursprünglich war ein herkömmlicher Kriminalroman geplant, in dem die berechtigten Forderungen der Autorinnen und Autoren zur Sprache gebracht und schließlich erfüllt werden. Zwei oder drei Kritiker wollte man über die Klinge springen lassen, Spaß muss ja schließlich sein. Aber dann entwickelte sich eine Eigendynamik. Die Verfasserinnen und Verfasser hatten keine Lust, auch nur eines dieser Schweine ungeschoren davonkommen zu lassen. Alle mussten sterben. Und so geschah es schließlich.
Wtd: Interessant. Aus Kreisen der Krimikritiker kommen nun aber Anzeichen von Entrüstung ob des Themas und seiner Umsetzung. Es ist von Menschenverachtung die Rede, von beinahe FDPkompatiblem Zynismus, von knallharter Geschäftsmasche. Was haben Sie diesen Anschuldigungen entgegenzusetzen?
Schmidt: Stellen Sie sich doch nicht dümmer als Sie sind. All das beweist doch die Ausgangsthese: Krimikritiker sind dilettantische Schweine, die ihren Analphabetismus, ihre verdrängten frühkindlichen Traumata, ihre sadistischen Tagträume unter dem Mäntelchen der Aufklärung und der Kultur zu verbergen trachten. In ihnen schlummert ein bestimmtes Gen, ein verqueres und verkorkstes Verlangen nach Brutalität, ja, Bestialität. Die Reaktion der Verfasser von „Der Schrei der Edelfeder“ ist ergo nachvollziehbar und legitim, längst überfällig und wird vom Lesepublikum freudig begrüßt werden. Die Startauflage beträgt übrigens 35.000 Exemplare. Leinenumschlag mit Lesebändchen.
Wtd: Herr Schmidt, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.
dpr