Leben im Kühlschrank 2

Ursprünglich aus einer klimatisch eher begünstigten Region stammend, brachte für mich schon der Umzug nach Hessisch-Sibirien – genauer gesagt das Waldecker Land und die Region Kassel, eine „coole“ Erfahrung. Ich lernte den richtigen Winter kennen, also auch mit Schnee, der nicht nach zwei Tagen schon nur noch Matsch ist, sondern mit richtigem, der auch liegenbleibt.

Einem Studierenden aus Afrika, der vor zehn Jahren nach Erfurt kam, dürfte es nicht anders ergangen sein. Er schrieb deshalb an seine Heimat, er würde sich wie in einem Kühlschrank lebend fühlen. Erst einige Zeit später merkte er, dass ihm dies nicht nur klimamässig so geht, sondern auch – bzw. gerade – von den zwischenmenschlichen Beziehungen her gesehen. Mir ging es – Gott sei Dank – nicht so, ich wünsche es auch keinem. Dafür wohn ich auch nicht in der Grossstadt, sondern im weiteren Erfurter Umfeld, nämlich dem Thüringer Wald.

Die erste Lektion für mich als Wessi war, kaum im wilden Osten angekommen, dass nicht alle Ossis sächseln. Trotz einiger Bemühungen bring ich das allerdings auch nicht zustande, trotz Hilfestellungen, und dass, obwohl ich auch schon (von Ossis!) für einen Ossi gehalten wurde. Überhaupt, diese ganze Ost-West-Debatte beruht allein auf Vorurteilen. Sicher ist es eine andere Erfahrung, in einer Neubausiedlung grosszuwerden, als schon im Kindergartenalter mit Playmobil und Lego zu spielen. Aber im Endeffekt ist der Unterschied nicht grösser als zwischen Stadt und Land. Das ist zwar auch ein unsägliches Thema, muss jetzt aber nicht ausgebreitet werden. Ausserdem, was vor allem die junge Generation betrifft (zu der ich mich noch zähle), wächst mittlerweile wirklich zusammen, was zusammengehört. (Hört, hört!)

So kann ich sagen, dass ich eigentlich nur meinen Horizont erweitere (ein Satz meiner Mutter) und über den eigenen Tellerrand schaue, indem ich in einer Plattenbauwohnung (vom Typ D – ne, keine Ahnung) wohne, nette Mensche allerorten kennenlerne und ein wenig Ost-Kultur übernehme.

Genau wie den Slang. Wörter bzw. deren Verwendung, die mir vollkommen neu erschienen, so dass mir Deutsch fast wie eine Fremdsprache vorkam. Wann hab ich jemals synonym für „lachen“ „feiern“ gehört, statt „Typ“ „Kunde“, „lässig“ statt „cool“ oder gar „übelst“ anstelle von „voll“. Da hört sich ein Satz wie „voll cool, ey“ im Vergleich zu „übelst lässig“ nach billiger Manta-Fahrer-Persiflage an. Dazu kommen Wortkreationen wie „Wanst“, „Wulst“, „Atzen“ oder „keimig“ oder oder oder. Vielleicht sollte man ja zu diesem Thema mal ein Kompendium anfertigen.

Nun muss ich ehrlich gestehen, das „Köstritzer“ Bier schmeckt mir nicht (oder „net“) so gut wie das Mannheimer Friedhofsbräu namens „Eichbaum“, aber ein bisschen Lokalpatriotismus ist ja gesund, oder net? Und so viele Unterschiede zwischen dem Thüringer und dem Odenwald gibt es auch nicht, schliesslich leben überall Menschen, die es verdient haben, als solche behandelt zu werden. Doch das ist eher ein Thema für Jürgen Fliege, also genug Moralapostel für heute gespielt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert