Dramatik war ja immer schon ihre Sache. Wir erinnern uns: „Damn I wish I was your lover“ wurde einem vor fast zehn Jahren aus fast allen Röhren entgegengeschleudert, auf dass es auch ja keiner überhöre… Nun, die 2001er-Sophie B. Hawkins flucht nicht mehr so deutlich vernehmbar wie damals, aber mit Gefühlen – und zwar großen! – hat sie´s immer noch.
„Timbre“, Hawkins drittes Album“, ist im Kern ein Singer-Songwriter-Album. Allenfalls die Form ist Pop – der Inhalt ist großartiges, dramatisches, hochmelodisches, manchmal hymnisches und meist melancholisches Songmaterial nach britischer Art. Hawkins schwelgt in Gefühlen und Pathos, und nur manchmal geht ihr der Schmalz-Gaul durch, und ein Song versinkt im Synthie-Sumpf – die meiste Zeit überwiegt ihre typische Mischung aus Dramatik und Biß (siehe oben…), und das verleiht den Songs die richtige Würze.
Was „Timbre“ außerdem auszeichnet, sind die üppigen Arrangements. Hawkins (die ihr Album selbst produziert hat) fährt auf, was das Studio hergibt: Rock- und Akustik-Gitarren, Streicher und Piano, und viel, viel Elektronik. Sie (aber auch der verschwenderisch gebrauchte Hall…) verleiht den Songs die charakteristische Fülle, viel Tiefe und den mystischen, oft düsteren Touch, fügt die Detail-Effekte hinzu. Ausgefeilt ist jeder Song, an manchen Stellen bombastisch, mitunter weit wie Wüstenrock, und dann wieder konzentriert und intim. Eben noch wuchtig und keinen Widerspruch duldend, dann wieder versöhnlich, fast sonnig. Kaum eine Laune, die Sophie B. Hawkins nicht auf „Timbre“ auslebt, und jede hat gefälligst genauso ernst genommen zu werden wie die vorangegangene…
Es bleibt hängen: viel Gänsehaut und das deutliche Statement einer selbstbewußten Frau. „Timbre“ ist eingängig und eindrucksvoll zugleich, Sophie B. Hawkins hat viel zu sagen, und sie weiß es erstklassig zu verpacken. Ihr Sound ist auf der Höhe der Zeit, aber nicht trendy. Sie steht Carly Simon näher als Madonna, hat mehr mit Beverly Craven als mit Vonda Sheppard gemein, und bleibt am Ende doch Außenseiterin: eine Zeitlose, die es zufällig ins Jahr 2001 verweht hat, und die sich dort eben – so gut es geht – anpasst. Nicht zufällig findet sich auf „Timbre“ neben flockigen Popsongs auch ein echter Jazz-Song. Sophie B. Hawkins ist eine Klassikerin im zeitgemäßen Gewand.
Sophie B. Hawkins: Timbre
(Ryko/Zomba)