Die Schienenmenschen: Angriff der Weißen Garde

Was Chauvel und Simon mit dem ersten Band ihrer Reihe DIE SCHIENENMENSCHEN gelang, verdiente mehr als nur einen Achtungserfolg. Der Meinung waren jedenfalls Publikum und Fachleute beim Comic-Salon in Erlangen. Entsprechend riß man sich auch um die beiden als sich die Gelegenheit bot, Alben, T-Shirts und Was-weiß-ich-alles signieren zu lassen.

Der zweite Band ANGRIFF DER WEISSEN GARDE setzt die Geschichte von Wolf Pearce fort, der ursprünglich als Undercover-Agent in die Jaguar-Gang, einer Bande von schwarzen Schienenpiraten, eingeschleust, von seiner Dienststelle geopfert und enttarnt wurde.

Wider Erwarten hat Pearce das Gemetzel und sogar seine eigene Hinrichtung überlebt. Iki Dread, der Chefmechaniker hat ihn gerettet und bringt ihn zu den Söhnen Judas, einer anderen schwarzen Schienen-Gang, die von Schwester-Mutter Matty angeführt wird. Aber auch dort, als Schwarzer unter Schwarzen, wird Pearce als Eindringling gesehen und auch die Söhne Judas sollen vernichtet werden. Dazu ersinnt Pearce` Ex-Chef eine teuflische Intriege: Er spannt eine Horde von durchgeknallten WASPs für seine Interessen ein, bewaffnet sie und hetzt sie hinter den Söhnen Judas her. . .

Was vordergründig wie ein harter Actioncomic daherkommt, ist hintergründig betrachtet auch einer – aber darüberhinaus auch noch viel mehr. David Chauvel, der Szenarist, beweist einmal mehr, daß auch große Themen in kleinen Bildchen an Intensität gewinnen können und Fred Simons Zeichenstil könnte in die Annalen eingehen als die Ligne-Claire der Neunziger. Unbedingt zu empfehlen.

David Chauvel/Fred Simon
DIE SCHIENENMENSCHEN
Bd. 2 - Angriff der Weißen Garde Carlsen Comics
16,90 DM
ISBN 3-551-72242-0

Die Schienenmenschen: Die Jaguar-Gang

Nordamerika in einer nicht mehr fernen Zukunft: Die Jaguars, eine aus schwarzen Outlaws zusammengewürfelte Gang, leben in einem gepanzerten Zug. Die Schienen sind ihre Heimat und ihr Jagdrevier. Durch Überfälle, die an Brutalität kaum zu überbieten sind, versorgen sie sich mit allem, was sie brauchen. Kein Wunder, daß den Behörden dieser anhaltende Terror ein Dorn im Hintern ist, der sie unruhig in ihren Chefsesseln herumrutschen läßt. Doch alle Versuche, den Terror zu stoppen, sind gescheitert. Jetzt soll Wolf Pearce, ein in Ungnade gefallener schwarzer Cop, in die Jaguar-Gang eingeschleust werden. Mit seinen Informationen sollen die Schienenmenschen gestellt und vernichtet werden. . .

David Chauvel, der sich bereits mit DIE KALTBLÜTIGEN als Szenarist hervorgetan hat, gelang mit DIE SCHIENENMENSCHEN ein Wurf, den ihm viele seiner Kollegen erstmal nachmachen müssen. Er setzt sich souverän über die Grenzen des Action-Comics hinweg, das sich oft genug auf einen mit Explosionen und Stahlgewittern gespickten Kampf zwischen Gut und Böse reduzieren läßt, dessen Ausgang seit der Erstveröffentlichung von Grimms Märchen feststeht. Chauvel geht die Sache kritischer an, er hat seinen Shakespeare gelesen oder auf Video gesehen. Die Grenzen zwischen Gut und Böse verlieren ihre Gültigkeit. Sie werden zu bloßer Nomenklatur der Sieger. Für die Polizei als langer Arm des Staates ist Wolf Pearce lediglich ein Bauernopfer, das gebracht wird, um die eigenen Interessen zu schützen, ein schwarzes Bauernopfer zudem.

Pearce ist eine in sich zerrissene Gestalt. Als Cop steht er auf der ´richtigen´ Seite eines rassistischen Regimes mit der ´falschen´ Hautfarbe. Als Gangsta hat er die ´richtige´ Hautfarbe, steht aber außerhalb des Gesetzes. Er ist ein Lockvogel, der von den Weißen verachtet und von den Schwarzen verstoßen wurde. David Chauvel zeigt mehr als nur eine Sicht der Dinge. Einseitigkeit ist ihm fremd. Die Outlaws, die nach außen hin lediglich durch ihre Massaker in Erscheinung treten, entpuppen sich bei näherem Hinsehen als ein Haufen, am Rassismus der legalen Welt gescheiterter Existenzen, die sich in ihrem Zug eine wohlorganisierte Welt mit eigenem Kodex geschaffen haben.

Die Auseinandersetzung zwischen beiden Welten, der legalen und der illegalen wird zu einem Fanal der Borniertheit zwischen Schwarz und Weiß, an dem nicht nur Pearce, sondern auch noch viele andere zu zerbrechen drohen, die sich nicht auf das Schwarz-Weiß-Denken einlassen wollen. David Chauvels DIE SCHIENENMENSCHEN ist der beste Beweis dafür, daß das ´oder´ zwischen ´Action oder Anspruch´ getrost gestrichen werden kann. Manchmal ist eine Erkenntnis halt wie ein Schlag in die Magengrube.

David Chauvel/Fred Simon
DIE SCHIENENMENSCHEN
Bd. 1 DIE JAGUAR-GANG
Carlsen Verlag 16,90 DM
ISBN 3-551-72241-2