Popkomm 1996-3

Ein kryptisches Köln-Tagebuch von Kai, Carsten, Roland, Axel, Wolfgang, Walter und Nicole

Samstag, 17-8-1996:

Mehr als 2 Brötchen sind heute nicht drin. Das Frühstück findet heute etwas später als gestern statt und auch sonst wird es wohl kein leichter Tag werden. Aber das hätte ich schon die Nacht zuvor wissen können, als ich gegen 5.00 Uhr meine Luftmatraze enterte und der Wecker auf 10.00 Uhr stand. Passend zu meinem Befinden fallen die beiden Veranstaltungen, an denen ich heute teilnehmen wollte, erstmal aus. Musikfernsehen für Erwachsene und Der DJ als Gesamtkunstwerk scheitern – erstes laut Infozettel wegen der Zusammenarbeit von ONYX und VIVA (!?), zweites aus unbekannten Gründen.

Das bedeutet: verstärkter Laufeinsatz in der Messehalle. Ein bißchen Promotion in Sachen Hinter-Net!, ein paar Kataloge und nicht ganz so viele Promo-CDs einsacken und gelegentlich zu VH1 (remember the beer?).

Zur Abwechslung am Vormittag 2 Sekt, 1 Kaffee, 2 Sekt, 1 Kaffee, erst dann Bier.

Erster Pflichttermin: Pressekonferenz zur Verleihung der Goldenen Stimmgabel mit Dieter Thomas Heck. In der Erinnerung bleiben: organisiertes, freundschaftliches Verhältnis zu Fotografen, gelbe Anzüge, und die obligatorische Frage eines mir fremden Kollegen einer Schlagerredaktion aus dem Osten der Republik, warum Kollege Heck so wenig Interpeten aus der Saale-Oder-Region bringt.

Zwei Meter neben mir sitzt Tav Falco zum Fernsehinterview und am Tresen lehnt eine dunkelhaarige Frau, die mir sehr bekannt vorkommt. Da mir partout nicht einfällt, wer sie ist, drehe ich mich um und will weiter, trete allerdings gegen einen am Boden liegenden Rucksack und muß einen kleinen Ausfallschritt machen. In einiger Entfernung (viel zu spät!) klärt Roland mich auf: Susanne Reimann war’s, einstige TV-Heldin als Moderatorin von Offbeat bei Tele 5 (kennt das noch irgend einer?) und heute bei VH1 beschäftigt. Wir stellen beide fest, daß diese Frau einst nicht unerheblicher Bestandteil unserer Gedanken war (Sonny Vincent, wir hassen Dich!) und daß der Rucksack ihr gehört. Roland hat die Situation eiskalt genutzt und sie angesprochen, um sich für meine Ungeschicktheit zu entschuldigen. Mir gab er dazu keine Gelegenheit. So ist das im Showbusiness, wahre Freunde findet man selten.

Campino von den Toten Hosen spielt Tipp-Kick und Schorsch Kamerun von den Goldenen Zitronen treibt sich bei der Straßenmusik von Doo Rag am SPEX-Stand rum.

Mittlerweile hat sich die Untergrenze für die Frau aus dem Imbiß auf 15 bis 16 Jahre erhöht, wobei nach oben weiterhin alles unklar ist. Das Essen ist wie immer klasse.

Es war gegen mittag. Mal wieder VH-1 Stand, ihr wißt schon.. da steht sie vor mir: Kimsy. Leicht anders gefärbte Haare, und nicht sonderlich klein (OHNE Plateau- Schuhe). Angeschlagen von nur wenigen Stunden Schlaf müssen die anderen den restlichen Tag mein Gestammel IHRES Namens ertragen. Trance ensteht auch durch visuelle Eindrücke.

Türsteher lassen sich auch sehr einfach beeindrucken, detaillierte Tips werden hier nicht gegeben, weil sonst funktionierts nicht mehr. Info an Freunde über geheimtipps@hinternet.de.

22.30-22.50: Petra. Wir haben uns noch ganz gut im Griff!

Auch heute findet die Fußball-Bundesliga ohne mich statt, was ich gerne in Kauf nehme, um rechtzeitig im MTC zu sein, wenn David Munyon mit seiner akustischen Gitarre und seiner Stimme diese eigenartig ergreifende Atmosphäre kreiert, die auch seine Platten auszeichnet. Nicht zum erstenmal wünsche ich mir Redeverbot für das Publikum bei Singer/Songwriter-Konzerten und auch nicht zum erstenmal frage ich mich, warum Deutsche mit einer Gitarre in der Hand niemals eine vergleichbare Bühnenpräsenz und ein ähnliches Charisma aufweisen können. Das habe ich bisher nur bei Amerikanern erlebt.

Letzteres kann übrigens auch als Beitrag zu der bekloppten Diskussion über die Quote für deutsche Musik verstanden werden, die gewisse Stumpfrocker aus Hannover oder wer auch immer mal wieder vom Zaun gebrochen haben.
BTW: auch das angekündigte Streitgespräch zum Thema zwischen Blixa Bargeld und Heinz R. Kunze fällt aus. Hatte der neuerdings deutschtümelnde Rockoberlehrer etwa die Hosen voll?

Im unermüdlichen Einsatz für Hinter-Net! eine Blase am Fuß gelaufen um das Aufnahmegerät für das David Munyon Interview zu besorgen. Und schon wieder dieser Fotograf…

Dies-ist-definitv-Rock-’n‘-Roll-Teil 2: Steve Wynn und seine Band beweisen, daß kleine Clubs und Rrrrrock in Kombination am besten funktionieren und mir wird angesichts des Dub-Jungle-Drum&Bass-Events vom Vorabend und der heutigen High-Energy-Gitarren-Rock-Show klar, was unter dem Stichwort Tribalisierung zu verstehen ist.

Die anschließende einstündige Unterhaltung beim Bier im Kollegenkreis hätte man auch locker auf 20 Minuten reduzieren können, da bei einem Gespräch von akut Hörsturz-Geschädigten alles dreimal gesagt wird. Noch einmal: Respekt an Steve Wynn.

Bei der Ladomat-House-Night sind die Hinter-Net! Vertreter leider zu früh oder schon zu spät für irgend einen Live-Auftritt, aber als Chill-Out ist es dort auch schön.

Da, wo die herkommen, die allnächtlich noch vorm Luxor rumhängen, gibt es offensichtlich weder Glascontainer noch Pfandflaschen. Scherben pflastern seinen Weg, jetzt bloß keine Löcher in die schönen Schuhe schneiden.

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