Interview mit Thomas C. Breuer
HINTER-NET!: Wenn ich die verstreuten Informationen zu Deiner Person richtig zusammengesetzt habe, dann erschien Dein erstes Buch bereits 1977, als in der deutschen Provinz die letzten Blumenkinder die Grünanlagen unsicher machten. Wie gings weiter?
TC: Hmm, (lutscht versonnen auf einem Bonbon herum) hmm; was hat sich getan? Nun, daß ich halt hauptsächlich einen Bühnenberuf habe, der das Geld bringt und der deshalb das Geld bringt, weil ich dabei gerade die Bücher verkaufe, die ich zum Teil selbst verlegt habe. Was ich im übrigen niemand empfehlen kann, Bücher selber herauszubringen, wenn derjenige nicht selber tingelt. Das kann bitter werden.
Ich habe halt meinen Weg gemacht als sogenannter literarischer Kabarettist als ich irgendwann gemerkt habe, daß ich einfach der beste Interpret meiner Werke bin. Nebenher habe ich mit dem Radio angefangen. Ich habe also drei Standbeine und es erweist sich in solchen Zeiten wie diesen, wo es kulturell überall enger wird, als Vorteil. Es wackelt nur eins – oder zwei aber nicht unbedingt alle drei Beine. So kann ich immer noch ein bischen springen und sagen: „Eigentlich mache ich ja doch eher. . .“
HINTER-NET!: Läufst Du damit nicht auch Gefahr als Universaldilettant durchzugehen?
TC.: Stimmt schon. Es steht der Sache manchmal auch ein bischen im Weg, daß ich mich nicht rückhaltlos für eines entscheiden kann. Ich würde jetzt gern wieder einen neuen Roman schreiben und die anderen Sachen auf Eis legen. Aber, ich hab´ die Zeit nicht; ich kanns mir finanziell nicht erlauben, weil ich Familie habe und deshalb muß ich die anderen Berufe auch noch machen.
HINTER-NET!: Seit deinen Anfängen sind ja immerhin fast 20 Jahre vergangen, Dein letztes Buch Sekt in der Wasserleitung ist ja stark autobiographisch, das war nach eigenen Worten das erste ja auch schon. Schließt sich jetzt der Kreis? Ist es Zeit, ein Resüme zu halten oder hat Dich das Alter mit Reife überzuckert?
TC: Nääää. Sekt in der Wasserleitung ist nur bedingt autobiographisch. Das Setting stimmt. Viele Personen sind der Wirklichkeit entnommen, ansonsten sind viele Begebenheiten erfunden, zusammengemischt, zu einer einzigen. Es entspricht also relativ wenig der Realität und die letzte Geschichte, die in Seattle spielt, ist komplett erfunden.
HINTER-NET!: Schade, gerade die Story mit dem Zwillingspärchen, das sich ein Toupet teilt, fand ich klasse.
TC: Es ist eine Autobiographie, aber eine gelogene.
HINTER-NET!: Eine Wunschbiographie?
TC: Nein, nicht direkt. Wünschen würde ich mir eine solche Biographie nicht. Ich bin eigentlich dazu gekommen, als ich das Käfer-Buch (Küß mich, Käfer) gemacht habe. Ich habe über VW-Käfer in Amerika geschrieben und brauchte etwas, was damit korrespondiert. Da habe ich über die Käfer in meiner Kindheit geschrieben. Sie hatten alle Käfer, meine Eltern, meine Onkel und alle andern auch. So bin ich dann dazugekommen und es hat Spaß gemacht. So hat sich das entwickelt. Ich glaube nicht, daß jemand mit 44 Jahren seine Memoiren verlegen sollte.
HINTER-NET!: Damals, als Du 1977 mitten in der Politfreak-Ära zu schreiben anfingst, warst Du am Puls der Zeit. Deine ersten Bücher waren ja eher Szeneliteratur. Schreibst Du immer noch für die inzwischen gealterte Szene von damals, oder hat ein Generationswechsel stattgefunden und Du hast ein neues Publikum?
TC: Ja, anscheinend. Eine Bekannte von mir, die ist um die sechzig, die hat das Buch gelesen – Sekt in der Wasserleitung – , fands ganz klasse und hat sich gesagt, jetzt geb´ ichs mal dem Soundso, der ist neunzehn, der ja nun all diese Erfahrungswerte nicht hat. Und diesem Soundso hat das Buch auch richtig gut gefallen. Ich bin sowieso keiner, der sich gern in irgendwelchen Gettos aufhält. Wenn ich mein Kabarett-Publikum ansehe, das ist so querbeet. Das ist, wie man so schön sagt, zwischen 8 und 80. Von denen interessieren sich etwa 10% für das, was ich sonst noch mache. Ich verkaufe also bei Kabarett-Veranstaltungen doch tatsächlich Romane. Ich weiß, daß diese Breuer-Gemeinde mit bloßem Auge kaum wahrnehmbar ist , aber – es gibt sie! Das merke ich immer wieder, wenn ich irgendwo hin komme. Das hat was Beruhigendes.
HINTER-NET!: Angefangen hast Du mit einer Konzertagentur ohne Telefonanschluß in einer WG ohne Geld.
TC: Ohne Ahnung vor allem!
HINTER-NET!: und heute bist Du wahrscheinlich selbst auf der Ebene, auf der Du früher Deine Idole angesiedelt hast?
TC: Ja, ja! Ich hab viele kennengelernt. Das ist ja ein Thema dieses Romans (Sekt in der Wasserleitung). Das hat ja sehr viel mit Idolen zu tun. Mit Idolen in verschiedenen Aggregatzuständen. Bei einigen ist es toll die kennenzulernen, bei anderen, na ja…
HINTER-NET!: Wo siehst Du Dich inzwischen selbst in diesem Metier – oder anders gefragt: Hast Du den Sprung vom Underground zum Establishment geschafft?
TC: Ob ich es jetzt geschafft habe? weiß ich nicht. Man muß immer wachsam bleiben. Wenn man in diesem Metier was geschafft hat, heißt das noch lange nicht, daß dieser Status am nächsten Tag noch gültig ist. Das geht ruck-zuck.
HINTER-NET!: Wie läuft Prozeß des Schreibens ab und wie kommst Du zu Deinen Themen?
TC: Mobil meistens. Ich bin Fernschreiber. Wenn ich von zuhause weg bin. Wenn ich im Zug sitze oder im Flugzeug und draußen bewegt sich was, das setzt in meinem Kopf was frei. Für diesen Krimi Huren, Hänger und Hanutas habe ich das Szenario in einer Nacht während einer Zugfahrt von Berlin nach Heidelberg gemacht. Säntimäntels Reise habe ich komplett im Caféhaus geschrieben.
HINTER-NET!: Es fällt mir schwer aus der Vielzahl Deiner Bücher ein Lieblingsthema zu erkennen. Gibt es Themen, die Dir besonders am Herzen liegen?
TC: Beim Schreiben von Romanen habe ich immer so ein Generalthema, witzig, daß das den meisten Leuten bei Sekt in der Wasserleitung überhaupt nicht auffällt, das Generalthema sind Idole. Was passiert, wenn Idole tot sind, wenn man sie nicht in Ruhe läßt, wenn man selber ein Idol wird und kriegt es eigentlich gar nicht so mit? Was passiert, wenn man Idolen zu sehr auf die Pelle rückt und was passiert, wenn sie zu weit weg sind?
HINTER-NET!: Wird das auch das Thema Deines nächsten Projektes sein?
TC: Ich arbeite gerade an einem neuen Roman, da geht es grob gesagt um die Übertragbarkeit von Mythen. Er handelt von einer Frau, die in Amerika lebt, etwas älter ist, zurück möchte nach Deutschland und von Amerika ein Stück mitnehmen will. Die Geschichte wird so weitergehen, daß dort drüben ein American Diner abgeschlagen und hier in Deutschland wieder aufgebaut wird. In einem Artikel im Magazin der Süddeutschen Zeitung stand mal eine ganz kleine Notiz von einem Typen, der macht das gerade. Mit dem hab ich telefoniert und treffe mich demnächst mit ihm, um rauszukriegen, ob das, was dort funktioniert, hier auch funktioniert und wenn nicht, warum nicht. Das Amerikanische ist ja nach wie vor ein prägendes Element hier. Mich hat es ja selber mit einer vollen Breitseite erwischt. Ich finde, es ist ein hochinteressantes Thema.
HINTER-NET!: Ich bin gespannt, zu lesen, ob die Diner-Transplantation gelingt.