Interview: Pavement

Eine Tradition die man pflegen sollte

Alle Jahre wieder erscheint ein neues Pavement-Album- außer 1996, da gönnte sich die Band eine Pause um sich dem verlorengegangenen Privatleben hinzugeben. Dieses kam nach dem Erfolg von ‚Wowee Zowee allzu kurz, denn war man nicht auf Tour, hielten sich Pavement im Studio auf, um an neuen Ideen zu feilen. Das Resultat der letzten Studiosession steht ab elften Februar 1997 in den gut sortierten Plattenläden unter dem verheißungsvollen Namen ‚Brighten The Corners‘. Steve Malkmus, Sänger, Gitarrist und seines Zeichen hauptverantwortlich für das Songwriting kam noch kurz vor dem Fest der Liebe nach ‚Good Old Germany‘, um ‚Brighten The Corners‘ zu promoten. Selbst die widrigsten Umstände, wie das Streiken der Lufthansa, was die Interviewtermine um unbestimmte Zeit nach hinten verschob, konnten Steve nicht aus der Ruhe bringen. Hörbar relaxt und guter Dinge erzählte er von den neuesten Entwicklungen aus dem Pavement -Lager.

Keine Anti-Band

Pavement anno 1997’Brighten The Corners‘ ist die Synthese aus den spröderen Songs auf ‚Wowee Zowee‘ und dem hitlastigeren Vorgänger ‚Crooked Rain Crooked Rain‘, wobei Gitarrist Scott Kannberg mit zwei Liedern vertreten ist, die sich von der Steve Malkmus eigenen Kompositionsweise abheben, gleichzeitig den Bandsound erweitern. Dabei nimmt sich Kannberg als Songschreiber nicht allzu ernst.
„Er hat seine eigene kleine Niche bei Pavement und trägt seinen Teil am Entstehungsprozess der Songs bei und zieht man den Vergleich mit den Beatles ist er definitiv nicht in der gleichen Position wie Ringo Starr. Er könnte noch eher mit George Harrison verglichen werden. Ich denke, nachdem sich Pavement aufgelöst haben, wird Scott ein Soloalbum aufnehmen, das sich besser verkaufen wird als mein eigenes.“

Die Selbstironie verweist auf das Malkmussche Selbstverständnis als Frontmann, der mit meiner Feststellung, seine Stücke seien im Vergleich zu den des Mitstreiters eher die langsamen Nummern, nicht vollständig übereinstimmt:

„Die Singleauskopplung ‚Stereo‘ ist in ihrer Grundstimmung recht aggressiv für Pavements Verhältnisse, ebenso ‚Embassy Row‘, das eher up-tempo ist als die Songs von Scott…aber insgesamt dominieren die langsameren Stücke, weil ich relaxte Grooves einfach mag. Außerdem habe ich einige schnelle Songs geschrieben, die mit Pavement nicht so recht funktionierten. Sie paßten einfach nicht zum Vibe der Sessions.“

Auch auf der letzten Tournee mit Mercury Rev verzichteten Pavement auf das Spielen ihrer potentiellen Abräumer und konzentrierten sich auf das etwas schrägere, schleppende Material auf Wowee Zowee. Steve betont, das man sich auf keinen Fall als eine Anti-Band versteht, die es darauf abgesehen hat, ihre Zuschauer absichtlich an die Grenzen ihrer Begeisterung für Pavement zu führen.

„Wir spielen jeden Abend mit voller Inbrunst. Manchmal gab es Probleme die schnellen Nummern so richtig abgehen zu lassen, da ich auf ‚Wowee Zowee‘ fast alles im Alleingang eingespielt habe, auch das Schlagzeug. Das neue Album wird auf alle Fälle für eine rockige Liveperformance sorgen, um so mehr da wir genug B-Seiten aufgenommen haben, die ziemlich upbeat sind. Und wenn die Zuschauer nach ‚Gold Soundz‘ verlangen, kommen wir diesem Wunsch nach, schließlich haben wir das lange genug gemacht; und gerade deshalb sind wir keine Anti-Band.“

Keine Singles-Band

Die erste Single ‚Stereo‘ ist im Gegensatz zu den Auskopplungen der anderen Alben eher sperrig und kratzbürstig und repräsentiert nicht gerade das übrige Oeuvre auf ‚Brighten The Corners‘. Wenn man die Kriterien größere Labels, nämlich einen potentiellen Hit zu landen, als Maßstab für Singleveröffentlichungen heranzieht, dann stellen sich Pavement bewußt ins Lager der Indies, fernab von Smashing Pumpkins, Soundgarden und anderer sogenannter Alternative-Bands. Steve Malkmus bestätigt:

„Singles haben für mich keine große Bedeutung. Wir hätten ebenso das melodischere ‚Shady Lane‘ auskoppeln können, doch dann entschieden wir uns für ‚Stereo‘, weil es unserer Meinung nach das groovigste und modernste Stück auf ‚Brighten The Corners‘ ist. Aber ehrlich gesagt interessiert mich das Musikgeschäft als solches nicht sonderlich. Wir zielen darauf ab Songs zu veröffentlichen, die anders klingen als die vorhergehenden Singles und kümmern uns dabei weniger um Common Sense bei den Fans. In den Staaten hörst Du auch Stücke wie ‚Embassy Row‘ im Radio, eben weil es schnell gespielt ist. ‚Stereo‘ ist eher für den Underground und das unterscheidet uns von Bands wie den Lemonheads. Vielleicht veröffentlichen wir ‚Shady Lane‘ als zweite Single, das bleibt abzuwarten.“

Malkmus räumt ein, daß obwohl ‚Brighten The Corners‘ ein warmes und freundliches Album ist, der Effekt ein anderer als der einer Oasis-LP sei.

„Ich mag ihre Songs, und wenn ich beim Autofahren im Radio Oasis höre, fange ich an mitzusingen, aber ich würde mir nie eine ihrer CDs kaufen. Das ist auch nicht notwendig, denn die hört man ohnehin immer und überall. Sie machen die ideale Partymusik, aber es gibt Gelegenheiten, zum Beispiel wenn ich zu Hause Musik bewußt hören will – dann greife ich zu anderen Platten. Ich verstehe mich auch im Kontext von Pavement als Fan eines speziellen Stils und somit versuchen wir anders zu klingen als Bands, die lediglich ihre Vorbilder kopieren.“

Keine Starband

Neben dem Bemühen um Individualität besteht Malkmus immer wieder darauf, Pavement nicht als Starband zu verstehen. Dabei zeigt er sich als Sänger und Aushängeschild Pavements am wenigsten kontaktfreudig wenn es darum geht sich mit den Fans und den Medien auseinanderzusetzen.

„Wenn Leute zu mir kommen und immer wieder sagen wie toll sie unsere Musik finden wird es mir ab einem gewissen Punkt einfach zuviel. Aus dem gleichen Grund schau ich mir nicht unsere Videos an oder setze mich übermäßig mit unseren Reviews und den Medien auseinander; das ist wohl eine Art rationale Paranoia. Um mich zu schützen führe ich im großen Medienzeitalter ein relativ medienabstinentes Leben. Die anderen Jungs in der Band sind in der Sozialisation mit den Leuten, die sich um Pavement gruppieren, angefangen mit den Fans bis hin zur Presse einfach besser als ich.“

Auch dem Internet als Informationsquelle ist Steve Malkmus nur geringfügig zugetan:

„Ich könnte mehr Nutzen daraus ziehen, aber bis auf das Lesen von einzelnen Webseiten hab ich davon abgesehen Gebrauch von dieser Art Service zu machen.“

Malkmus hat die Ausstrahlung eines independent artist, der sich lediglich um seine eigenen Angelegenheiten kümmert, ohne über Gebühr darauf zu achten, was in der schnellebigen Zeit um ihn herum passiert. Diese Art von Konservativität wirkt aber nicht unreflektiert oder gar starrköpfig sondern recht vernünftig:

„Ich finde das Internet als Informationsquelle ein gutes Medium, aber es wird Bücher und Zeitschriften hoffentlich nie verdrängen können. Es kann natürlich sein, daß die Industriekonzerne alle möglichen Daten, Literatur und sonstige Informationen auf CD-ROM rausbringen- das ist das gleiche Prinzip wie bei VHS versus Beta – das Kapital entscheidet über diese Trends. Ich mag e-Mail und das Web als ein hilfreiches Werkzeug, aber ich geh dennoch lieber persönlich zur Bank um meine Geschäfte zu erledigen. Das ist Teil der Sozialisation mit meiner direkten Umwelt. Der Umgang mit dem Internet ist lediglich eine andere Form das Gedächtnis zu organisieren. Ich mag einfach keine Computer-Bildschirme; anstatt Fernsehen zu schauen, geh ich lieber ins Kino oder Theater und bevorzuge Vinyl gegenüber CDs – insofern bin ich etwas altmodisch.“

Kontinuität

‚Brighten The Corners‘ ist ein typisches Pavement-Album, das fast alle Tugenden der Band in sich vereinigt. Fast, denn es fehlen die angepunkten, schrägen Explosionen des Vorgängers – lediglich Stereo verbreitet diese Atmosphäre, die auf ‚Wowee Zowee‘ noch so stark vertreten war. Eine Band die so unbeirrt an ihrem Konzept festhält muß sich entweder den Vorwurf der Stagnation oder das Lob der außerordentlichen Kontinuität ohne jeglichen Qualitätsverlust gefallen lassen. Die Frage nach neuen Inspirationen bleibt im Raum stehen, gibt es doch genügend Bewegung in der Musikwelt – als Beispiel will ich nur den Einfluß von Dance und House auf englische Gitarrenbands nennen. Getreu dem Motto „Schuster bleib bei Deinen Leisten“ zeigt sich Malkmus wieder einmal als Traditionalist:

„Ich höre eine Menge Dancefloor-Music und mir gefallen auch eine Handvoll solcher Acts. Für mich selbst gilt, daß es mir sehr schwer fällt mit Leuten außerhalb der Band zusammen zu arbeiten, und da mir die nötigen Fähigkeiten fehlen, lasse ich meine Finger von Computern. Meine Inspirationen kommen von alten Platten, die ich vorher noch nicht gekannt habe. Vor allem Folk-artverwandte Musik, die von Menschen auf normalen Instrumenten gespielt wird, ist diejenige, die mich am meisten beeinflußt. Es gibt eine Menge Bands, die sich dem Mittel Computer bedienen, um trendy und cool zu sein. Wir könnten auch hingehen und unser Material einem DJ anvertrauen der dann aus unseren Stücken einen housy Mix fabriziert, so ähnlich wie das bei Primal Scream der Fall war. Es geht uns nicht darum cool zu sein, sondern der Gesellschaft das zu präsentieren was von einem selbst- , was von innen heraus kommt und was man am Besten kann.“

Das Private im Vordergrund

Aus solchen Kommentaren kann man schließen, daß für Malkmus das Private im Vordergrund seiner Arbeit steht. Die Grundeigenschaften des Traditionalisten, die Tatsache, daß Malkmus niemanden außerhalb von Pavement Anteil am Entstehungsprozeß der Songs haben lassen will und das Mißtrauen gegenüber Schulterklopfern und allzu übertriebener Verehrung passen zur Entscheidung das Label zu wechseln wie das fehlende Stück zu einem Puzzle:

„Ich mag die Leute von Big Cat nach wie vor, es sind herzliche und freundliche Menschen. Allerdings haben sie im Verlauf der letzten Jahre ihre Zielstrebigkeit verloren. Wir könnten auch auf Majorangebote zurückgreifen aber es ist manchmal besser nicht zu wissen was man verpaßt. Ich denke, daß wir bei Domino gut aufgehoben sind, da wir mit deren anderen Bands, wie Sebadoh und Palace Brothers, ein homogenes Programm bilden.“

Die Zeiten in denen Pavement auf Grund mangelnder finanzieller Mittel als Lo-Fi Band klassifiziert wurden ist schon lange vorbei, spätestens seit ‚Crooked Rain Crooked Rain‘.

Die letzte Platte bezeichneten Pavement selbstironisch als ‚Medium-Fi-Produktion‘ und beim neuen Epos hat sich im Prinzip nicht viel verändert. Diesmal produzierten Pavement im hauseigenen Studio von Mitch Easter, der sich für Klassiker wie ‚Murmur‘ von R.E.M. verantwortlich zeichnet.

„Mitch Easter ist eine großartige Person, er hat ‚Brighten The Corners‘ allerdings nicht produziert, sondern lediglich seine Mikrofone vor unsere Verstärker gestellt. Was die Fidelity angeht versuchen wir stets einen Sound hinzukriegen ohne ‚cheesy‘ zu klingen. Im Prinzip haben wir im Vergleich zu ‚Wowee Zowee‘ ein ähnliches Studio benutzt und auch soundtechnisch hat sich nichts verändert, außer daß wir weniger gemixt haben und somit eine einheitlichere Linie vorweisen können. Wir könnten von diesen Indie-Labels soviel Geld für eine Produktion verlangen wie wir brauchen; eine große Produktion kostet um die 200 000 Dollar und selbst diese Summe würden sie uns geben. Wir haben diesmal unseren Engineer selbst bezahlen müssen und insofern ist die Platte gemessen an den vorherigen Veröffentlichungen gar nicht mal sooo billig ausgefallen.“

Bleibt zu hoffen, daß sich die Investition für Pavement lohnen wird, schließlich hat sich ‚Wowee Zowee‘ nicht wesentlich besser verkauft als ‚Crooked Rain Crooked Rain‘, was nicht zuletzt an der verminderten Touraktivität lag. Für 1997 steht jedenfalls eine ausgiebige Beschallung europäischer Konzerthallen an. Da sich Herr Malkmus selbst als anti-Business-Mensch bezeichnet, war die Frage nach etwaigen Daten oder Details zur Tournee recht überflüssig. Fest steht, daß Deutschland irgendwann zwischen März und April eingeplant ist…

…und mir bleibt nur die Empfehlung die Augen und Ohren offen zu halten, denn nur wo Pavement draufsteht ist auch Pavement drin.

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