Jackie O. Der Fan und sein Star

Würden alle Bücher nur von den wichtigen Dingen des Lebens handeln, wären die meisten nie geschrieben worden – dabei sind die überflüssigsten oft die besten!

So überflüssig wie lesenswert ist die mit zweijähriger Verzögerung erschienene deutsche Ausgabe von „Jackie O. Der Fan und sein Star“, ein Werk des Amerikaners Wayne Koestenbaum, nebenbei Dozent für englische Literatur, hauptsächlich aber glühender Jackie-Verehrer! „Jackie“ meint natürlich Jacqueline Kennedy Onassis, die mit Marge Simpson übrigens den Mädchennamen „Bouvier“ teilt.

Das war´s dann aber auch schon an Gemeinsamkeiten, denn während Marge auf ein stupides Hausfrauendasein im Kreise ihrer debilen Familie zusteuerte, heiratete die junge amerikanische Fotoreporterin französischer Abstammung einen aufstrebenden demokratischen Senator, wurde bald darauf First Lady der USA und ebenso schnell Witwe, heiratete einen häßlichen, griechischen Milliardär, wurde wiederum Witwe und arbeitete bis zu ihrem Krebstod 1994 in New York als Lektorin. Noch Fragen? Vielleicht nach Hinterlassenschaften, überlieferten Statements, einem Werk? Fehlanzeige!

Frauen wie Jackie, Lady Di oder Cindy Crawford verewigen sich nicht durch „Werke“ (ich vergaß: Cindys Schminkbuch…), und speziell Jackie verfügte zudem weder über weibliche Rundungen noch über ein Model-Gesicht. Sie sprach mit atemloser, dünner, kaum hörbarer Stimme und setzte sich auch sonst nicht sonderlich spektakulär in Szene – trotzdem gilt sie als Ikone des 20. Jahrhunderts, verehrt von zahlreichen Fans, die sich ihrer Unsterblichkeit vor allem in den Artikeln der Yellow Press versichern.

Ob zu Lebzeiten oder posthum, die Boulevard-Berichterstattung über Jackie Kennedy stellt die wichtigste Quelle Koestenbaums dar, die er zweifellos wissenschaftlich auslegt, aber dabei das Vergnügen nicht zu kurz kommen läßt. Durch seine Augen betrachtet werden die ach so trivialen Texte zu beredten kulturellen Orakeln – und das völlig zu recht, denn sie haben kräftig teil an der Gestaltung moderner Mythen und brennen sich vor allem kraft ihrer Visualität nolens volens tief in das kollektive Gedächtnis ihrer Zeitgenossen, nicht etwa nur der Leserschaft!

Koestenbaum durchleuchtet den Mythos „Jackie“ perfekt, geht dem Geheimnis der cape-artigen Frisur auf den Grund, den Pillbox-Hüten, der späteren Sonnenbrillen-und-Kopftuch-Camouflage, der knochigen, mageren Figur mit den hervortretenden Schlüsselbeinen in Kleidern mit Bateau-Ausschnitt etc. Er geht Jackies fast magischer fotografischer Präsenz auf den Grund, erforscht den Anschein permanenten Vorwärtsstrebens, den verblüfften, erstaunten Ausdruck ihres Gesichts, und er stellt sie ihrem zeitgenössischen Gegenpol, der „Schlampe“ Liz Taylor gegenüber. In diesen Ruf sollte allerdings auch Jackie noch kommen, als sie für die Amerikaner mit der Onassis-Hochzeit 1968 von der Heiligen zur Hure wurde.

Sie läßt sich mit all ihren Widersprüchen einfach nicht auf einen Nenner bringen -wie auch immer, sie bleibt die einzige Königin Amerikas und die Schutzpatronin aller Kaufsüchtigen! Überhaupt, welche Frau träumt nicht davon, erst mit dem mächtigsten und dann mit dem reichsten Mann der Welt verheiratet zu sein; und wenn schon betrogen, dann wenigstens mit Marilyn Monroe, um dafür aber der großen Callas den Mann wegzuschnappen! Nach fast 350 Seiten und insgesamt 40 Kapiteln fühlt man in der Tat „Jackie under my skin“, so der Orignaltitel des heißesten Buchtips des Sommers!!!