Smoke City

Dieser Artikel handelt von einer Band namens Smoke City. Smoke wer? Smoke City, die von „Underwater Love“, der Song aus der Levis-Werbung mit dem Typ, der aus dem Boot kippt und den Nixen. Ach so, die.
Das riecht verdächtig nach einer klassischen One-Hit-Wonder-Karriere, aber Smoke City haben es besser verdient – ein Grund mehr für Hinter-Net!, die Gruppe im Interview zu fragen, wie sie zu dem wurden, was sie sind.

Das Nord-Londoner Trio besteht aus der Halbbrasilianerin Nina Miranda, die mit acht Jahren nach England kam, eine Weile in Frankreich lebte (was ihre portugiesisch-englisch-französische Gesangs-Melange erklärt) und Kunst studierte; Marc Brown, der ebenfalls eine Zeitlang in Brasilien lebte und dort mit der Drum-Truppe „Olodum“ arbeitete, die auch auf dem aktuellen Smoke City-Album zu hören ist, und Chris Franck, der ebenfalls in – na, wo wohl! – Brasilien zugange war, zeitweise zumindest. Brown und Franck sammelten in dieser Zeit beide Programmier- und Sample-Erfahrungen. Mit ersterem tat sich Nina Miranda vor einigen Jahren zu Smoke City zusammen, und beide produzierten 1995 den Song „Underwater Love“ – der also nicht, wie viele vermuten, als Auftragsarbeit oben genannter Jeans-Firma entstand. Im Gegenteil: das blubbernde Meisterwerk erschien damals auf einem Sampler des Independent-Labels Ireland Records namens „Rebirth of the Cool“, wo er vorerst unbemerkt vor sich hin dümpelte.

Ein halbes Jahr später stieß Chris Franck zu dem Duo, der Kontakt wurde über einen gemeinsamen DJ-Freund hergestellt, nachdem Franck sich nach seinem Brasilien-Aufenthalt wieder in die Londoner Musik-Szene einbrachte. Die Plattenfirma offerierte Demo-Aufnahmen in einem Studio, also machte sich das Trio ans Song-Schreiben, und die Sache kam ins Rollen.

Der Name „Smoke City“ steht übrigens für London, die Heimat des Trios, und die besondere Londoner Atmosphäre. Er steht auch für einen Komplex aus Industrie und Urbanität, der seine zugleich transparente und verschleierte Substanz mit jedem Moment verändert.

Inzwischen liegt das Ergebnis der Studio-Aufnahmen vor: ein Album mit dem Titel „Flying away“. Spätestens hier wird klar, daß Smoke City mehr zu bieten haben als einen – zugegeben genialen – von der Werbung gepushten Hit. Und um dieses Thema zu Ende zu führen: Levis hatte das Konzept des Spots vor Augen und suchte nach einer passenden musikalischen Untermalung, als ein Mitarbeiter der Firma auf den Song „Underwater Love“ stieß, der wie für diesen Zweck geschaffen schien. Smoke City setzen mit ihrem schaumgeborenen Lied gewissermaßen die Tradition des Surf-Sounds fort: wo dieser das Gefühl des Wellenreitens musikalisch einfing, tauchen Smoke City klangmäßig ab, eben „underwater“. Nina Miranda stimmt dieser Sicht übrigens zu, sie habe kurioserweise beim Komponieren (am Anfang war in diesem Fall nicht das Wort, sondern der Sound, den Kollege Brown der Sängerin präsentierte, die sich daraufhin zu Text und Titel inspirieren ließ) exakt die Story des Jeans-Spots vor Augen gehabt …

Weiß man um die Brasilien-Erfahrungen und die Londoner Heimat der drei Musiker, muß man zum Stil des restlichen Albums eigentlich nicht mehr viel sagen: in den Songs der Band fließt der sonnige Einfluß Südamerikas mit der europäischen Club-Music zusammen. „Flying away“ ist eine Synthese aus Samba, Bossa und Swing auf der einen Seite und Synthie-Klängen und harten Beats auf der anderen: gleichzeitig easy, relaxed und düster, klingt bisweilen – wollte man eine neue stilistische Schublade öffnen – nach einer Art „Latino-Industrial“.

Die Erfahrung „vor Ort“ spielt laut Chris Franck eine bedeutsame Rolle, er betont, wie wichtig es sei, das südamerikanische Feeling zu „verstehen“, dies sei die Voraussetzung, wolle man fremdartige Einflüsse einbringen, denn nur so funktionierte letztendlich die Mischung. Und nicht zuletzt drücke sich darin auch der Respekt vor unterschiedlichen Traditionen und den Errungenschaften fremder Kulturen aus.

Die Band selbst möchte ihren Stil nicht definieren, sie vereinigen eine Vielzahl heterogener Einflüsse (auch wenn´s geschwollen klingt, nur um nicht schon wieder „unterschiedlich“ oder „verschieden“ zu schreiben, Anm. d. V.) wie südamerikanische Klänge, Reggae, Soul, Hip Hop und R’n’B. Privat stehen sie auf Musik der 70er, die bei ihnen öfter läuft als aktuelle Produktionen: Bob Marley, Santana, Stevie Wonder, Johnny Guitar Watson und Jungle Jazz von John Coltrane, genauso wie afrikanische und indianische Musik: „Alles, was mehr Underground und avantgardistischer als Kommerz ist“ (O-Ton Franck). Aha.

Daneben weisen Smoke City darauf hin, daß sie nicht einfach nur unterschiedliche(!) Elemente verschmelzen, sondern jedem einzelnen durch Fusion eine neue Perspektive erschließen. Oder anders ausgedrückt: alles zusammen ist mehr als nur die Summe der Einzelteile. Gemixt werden auch die unterschiedlichsten Rhythmen, die für die Musik von Smoke City ohnehin eine wichtige Rolle spielen, z. T. programmiert und z. T mit „echten“ Drummern eingespielt, wie z. B. mit den schon erwähnten 15 Percussionisten von „Olodum“, deren Unterstützung auch Paul Simon bereits in Anspruch nahm.

Live spielen Smoke City mit sieben Musikern, die sonst allerdings nicht an den Kompositionen beteiligt sind, dazu zählen ein Drummer, ein Percussionist, ein Bassist-Cellist in Personalunion wie auch ein Keyboarder-Violinist. Untereinander sind die Rollen nicht festgelegt, alle arbeiten mit Percussions, und Brown produziert zusätzlich Live-Effekte mit einer Effekt-Box – was immer das sein mag. Zur Show gehört außerdem jede Menge Action und Live-Mixing, kurz: Kombination ist das Zauberwort im Konzept der Band Smoke City.

Jeder der drei hat neben der Gruppe noch andere Projekte laufen, die sich alle im Radius der Londoner Szene bewegen, ob nun in Form von Produktionstätigkeiten oder Remixen. Tja, da heißt es, auf Tourtermine warten, solange behelfe man sich mit „Flying away“.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert