Faszinierend und beängstigend zugleich, die Vorstellung, lebenslang oder zumindest für eine lange Zeit auf einer einsamen Insel leben zu müssen. Ausgehend davon, daß dort – auf welch wundersame Weise auch immer – dauerhaft elektrischer Strom vorhanden ist (sonst müßte man wohl auf ein Grammophon zurückgreifen; wäre für mich auch nicht so tragisch, da ich einige feine Schellackplatten besitze), käme ich inzwischen ohne Vinyl, nur mit CDs aus.
Als BOF („boring old fart“) greife ich selbstverständlich auf Vertrautes zurück, obwohl ich davon praktisch alles in und auswendig kenne. Aber so ist das eben: Wenn man in die Jahre kommt (bzw. gekommen ist), schwelgt man in Erinnerungen, und die halten einen oft am (Über-) Leben!
- SMALL FACES: „Boxed – The Definitive Anthology“ (1965-1968; Repertoire)
Klar, wer mich kennt, weiß, daß meine „heroes“ Pflicht sind. Als Galionsfiguren der 60’s-Mod-Bewegung waren sie einerseits dem Rhythm & Blues verbunden, andererseits aber offen und ehrgeizig genug, auch zu experimentieren. Statt eines „ordentlichen“ Albums würde ich mich für diese Compilation entscheiden. Denn die „kleinen Gesichter“ waren – trotz „Ogdens‘ Nut Gone Flake“ – in erster Linie eine Singles-Band, d. h. Marriott und Lane komponierten ihre Songs auf den Punkt; Stücke mit mehr als 3.30 min Länge waren die Ausnahme. - STONE THE CROWS feat. Maggie Bell „Teenage Licks“ (1971; Polydor)
Nach der Beat- und Soul-Ära brach – nicht nur für mich – das Blues-Rock-Fieber aus. Aus meiner Lieblingsband wurden gleich zwei: HUMBLE PIE und die FACES, und beide orientierten sich stark am Blues. Dies taten Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre auch andere, so die schottische Band STONE THE CROWS mit der Sängerin Maggie Bell. Sie wurde ständig als „britische Janis Joplin“ bezeichnet, was aber viel zu kurz griff, den in puncto Interpretation und Stimme war sie sehr wohl eigenständig. Und ihre Band verließ bisweilen auch den strikten Blues-Kurs. - PLANXTY: „The Well Below The Valley“ (1973; Polydor)
Irish Folk Music hatte mich schon als Kind fasziniert. Doch diese Sauf- und Schunkelfolklore à la DUBLINERS oder CLANCY BROTHERS konnte ich nicht ab. Nachdem die Rockszene sich Anfang der 70er Jahre total aufzuplustern schien (Bombast-Rock à la EMERSON, LAKE & PALMER), suchte ich nach etwas Bodenständigem, gleichwohl musikalisch Anspruchsvollem. Da kam dieses irische Quartett gerade recht mit ihren filigran gespielten Jigs’n’Reels und den anrührenden, aber nie schmalzigen Balladen. Die Stimmen seiner Sänger, Andy Irvine und Christy Moore, inzwischen solo aktiv, packen mich noch heute. - Joe Cocker: „Stingray“ (1976; A & M)
Was, dieser alte Sack, der seit Jahren mit meist überproduziertem Mainstream-Zeug die deutschen Hitparaden blockiert? Gewiß, aber „good ole Joe“ (kann und) konnte auch anders. Nach einem neuerlichen Karriereknick hatte er sich 1976 mit der New Yorker Jazzband STUFF (Eric Gale, Steve Gadd, Cornell Dupree, Richard Tee, Gordon Edwards) zusammengetan und auf den Bahamas (Inseln!!!) dieses Album eingespielt. Nicht ein Hit ist drauf, dafür swingende Jazz-Ballads mit einem unwiderstehlichen Groove. - Ronnie Lane: „Anymore For Anymore“ (1974; GM Records; 1997 auf New Millennium/EfA mit Bonustracks wiederveröffentlicht)
Als Solist konnte Ronnie – RIP – endlich das musikalisch realisieren, wovon er schon immer geträumt hatte: eine Mixtur unterschiedlicher Stile, angefangen von Music Hall, Skiffle, Folk bis hin zu Cajun Music und Tex-Mex. Wenn ich down war (bzw. bin), richtet(e) mich Ronnies „good time music“ (meistens) wieder auf. Ich denke, gerade auf einer einsamen Insel kann man davon nicht genug kriegen (ich jedenfalls!). - Mickey Jupp: „Juppanese“ (1978; Stiff)
Quasi als „Gegenbewegung“ zu Bombast- und GlamRock für die Stadien formierte sich in den 70ern die sog. Pubrock-Szene. Ronnie Lane gehörte dazu, Bands wie ACE oder BEES MAKE HONEY, oder auch die Rock’n’Roll-Truppe LEGEND um Mickey Jupp. Letzterer machte sich schließlich selbständig und legte dieses Ohrwurm-Opus vor: abgespeckter R’n’R mit witzigen Texten und tieftraurige Balladen mit dem berühmten Fünkchen Hoffnung (z. B. „Partir C’est mourir un peu“ – wenn das nicht was für die Insel ist!). - Jacques Brel: „Les marquises“ (1977; Barclay)
Etwas Französisches sollte natürlich auch dabei sei, und da bietet sich das letzte Album des großartigen belgischen Chansonniers wahrlich an. Es enthält ergreifende, dabei sehr eingängige Lieder (z. B. „Voir un ami pleurer“ oder „Jojo“). Bei traurig-sentimentalen Stimmungen gibt’s (außer Robert Wyatt) nichts Passenderes. - Chris Jagger: „Atcha“ (1994; Sequel/Castle)
Wenn sich die „grauen Wolken“ wieder verziehen sollen, dann kommt der „kleine Bruder“ von Mick gerade recht. Denn den schert das große rockbiz überhaupt nicht; der macht – siehe Ronnie Lane – immer das, was ihm gefällt, auch wenn’s keine „Kohle“ bringt. Der gelernte Journalist und Gelegenheitsschauspieler steht auf Cajun Music, Folklore aus aller Welt, und so wirft es dieses auch gnadenlos in einen Topf. Doch was dabei herauskommt, bringt einen (in der Regel) wieder auf die Beine (s. „Stand Up For The Foot“). - Sean Tyrrell: „Cry Of A Dreamer“ (1995; Hannibal/Rough Trade)
Ein Spätberufener, der im „zarten“ Alter von etwa 45 Jahren eine Profimusikerkarriere startete. Von Hause aus Hochseefischer, der nebenbei Lieder schreibt, und was für welche. Die Texte sind bisweilen etwas verquer, aber die Songs kriechen sehr schnell ins Gehör. Er wird meist unter „Irish Folk“ „abgelegt“, aber er ist musikalisch vielseitiger (auch vielsaitiger); Elemente von Country & Western, Blues und Jazz sind deutlich vernehmbar. Die Stimmungsskala seiner Songs ist ähnlich abwechslungsreich wie das irische Wetter. - V. A. „Heartbeat Soukous“ (1987; Earthworks/Virgin)
Vom afrikanischen Kontinent würde ich unzählige Platten mitnehmen wollen, von jeder Stil- und Spielart am liebsten mindestens eine: Mbalax, Benga, Highlife, Juju Music, Mbaquanga usw. Wenn ich mich für eine entscheiden müßte, dann für ein Album mit Soukous, moderner kongolesischer Stadtmusik. Das ist Rumba pur, nur eben mit E-Gitarren, Schlagzeug (ergänzend zur traditionellen Percussion) und dem üblichen Rockequipment. Da es so viele hervorragende Bands und Solisten gibt, würde ich diese Compilation mit Kanda Bongo Man, Nyboma & Pepe Kalle u. a. vorziehen. Zum Abtanzen und Gute-Laune-Tanken gibt’s kaum was Besseres!