Warum soll ich über Frank Kozik, den mittlerweile weltweit bekannten und angesehenen Posterkünstler, noch großartig einleitende Worte verlieren? Wer kennt nicht wenigstens ein paar seiner schönen bizarren und zugleich auffälligen Motive…
Er ist es, der (Pop-)Ikonen wie Jesus, Charles Manson oder Bruce Lee in ein modernes künstlerisches Gewand zwängt und dadurch faszinierende bis schockierende Kollagen erzeugt, die mit Sicherheit eins sind: werbewirksam. Das haben sogar schon Industriegiganten wie BASF und verschiedene US-Fernsehsender erkannt, von denen Kozik in der Vergangenheit einzelne Aufträge erhielt.
Was 1980 aus Spaß an der Freude als ein Einmannbetrieb begann, hat nach nunmehr 18 Jahren Ausmaße angenommen, die Professionalität und großes Businessgeschick voraussetzen. Beides Eigenschaften, die der 36jährige Frank Kozik mit seinem Team erfüllt.
Anfang der Achtziger ging der in San Francisco lebende Frank Kozik auf Konzerte, um Kontakt zu der lokalen Musikszene zu knüpfen. Sein Hintergedanke dabei: „Ich will Konzertflyer machen!“ Einfache Schwarzweißkopien waren die Anfänge; mittlerweile stellt Kozik in seinem riesigen, im Hafen gelegenen, Loft unter anderem hochwertige Siebdrucke her.
Am 9. Januar des Jahres 1962 wurde er in Madrid geboren. Einen Schulabschluß hat er nie absolvieren können, da er von der High School geworfen wurde. Eine Kunsthochschule oder Universität besuchte er ebenfalls nie. All das was er heute eindrucksvoll unter Beweis stellt, ha er sich im Laufe der Jahre selbst beigebracht. Autodidakten nennt man solche Menschen gemeinhin.
Angesprochen auf seine musikalische Interessen gesteht er, diesen kaum definieren zu können. Dies und das höre er – querbeet eben.
„Ich höre im Endeffekt alles außer Ska. Außerdem muß ich gestehen, eine Vorliebe für Heino zu haben, das bezieht sich jedoch ausschließlich auf sein visuelles Erscheinungsbild.„
Die dargebotene Musik ist das Qualitätsmaß, das Frank Kozik auf eine Band aufmerksam macht. Alles andere zählt nicht. Nur wenn er die Musik mag, kann er mit einer Band zusammenarbeiten. Sei es als deren Coverkünstler oder als deren Labelboß. Was aber inspiriert ihn, treibt ihn an, diese grellen, bunten Bilder zu entwerfen, die einem sofort ins Auge fallen und die überall auf der Welt große Anerkennung finden?
„Ich habe nicht den leisesten Schimmer„, antwortet er kurz und trocken.
Warum aber meist grelle, beißende Farben? Hat das eine tiefere Bewandtnis?
„Ganz einfach: Grelle Farben haben aus mehr als sechs Metern Entfernung betrachtet noch eine große Wirkung.„
Er überfiele einfach ein Verlangen, sich hinter den Schreibtisch zu klemmen und Cover bzw. Poster oder Postkarten zu entwerfen. Sieht er sich dabei vielleicht von anderen namhaften Künstlern in irgendeiner Art und Weise beeinflußt?
„Die Liste ist schier endlos. Derzeit bin ich total angetan von kubanischen Posterkünstlern aus den Sechzigern, also der Zeit der Revolution.“ (Kurze Anmerkung an dieser Stelle: In früheren Interviews erklärte er bereits, daß er schon seit Jahren Propagandakunst sammelt und archiviert.) „Was aktuelle Künstler betrifft, so habe ich mir kürzlich Gemälde von Stacy Lande, einer in Los Angeles ansässigen Malerin, gekauft. Sie hat sich auf wunderschöne Ölgemälde spezialisiert, die in der Tradition des großartigen Franz von Stuck stehen. Außerdem wären da noch Komar und Melamid zu erwähnen, zwei russische Popartkünstler, die vieles im sozial-realistischen Stil gemacht haben.„
Wie ich gehört habe, soll Dein Atelier nicht gerade klein sein. Meterlange Regale, in denen sich ein Comicheft an das andere reiht.
„Stimmt, es ist schon ziemlich groß – so an die hundert Quadratmeter hat es in etwa. Du wirst nicht glauben, aber wir müßten unser Lager ausbauen. Ich bin in so viele fortlaufende Projekte involviert, daß ich ständig neues Material geliefert bekomme. Übrigens, die Comics lese ich nicht. Ganz selten nur.„
Wie sieht der Prozeß aus, der zur Entstehung eines Covers führt?
„In der Regel sammle ich einzelne Ideen, die entweder nach Musikstilen oder der Einstellung einer Band geordnet sind. Sobald ich dann einen Auftrag ins Haus bekomme, überlege ich, welche Idee nun zu der Band bzw. der Musik passen würde. Es hat sich in der Vergangenheit gezeigt, daß ich nicht zu lange über ein Projekt nachdenken sollte. Je länger ich warte, desto schlechter wird das Design. Ich versuche stets, instinktiv vorzugehen.„
Üblich ist es wohl auch, Ideen in die Tonne zu treten…
„Von meinen eigenen verwerfe ich ehrlich gesagt keine. Am Ende habe ich alle irgendwo verwertet, ganz egal ob sie allen gefallen oder nicht.„
Sein allerliebstes Motiv, das er selbst kreiert hat, ist eindeutig der „Smoking Bunny“ (siehe rechts), wie er ihn liebevoll nennt. Eines meiner liebsten ist das KYUSS/MELVINS-Poster (mit dem Totenkopf) anläßlich eines Konzertes im Berliner „Loft“ irgendwann 1995. Warum allerdings heißt es „Alle ist todt“? Absicht oder Schreibfehler? Und wie kommt der Herr Künstler dazu, ein Plakat für eine Show in Berlin anzufertigen?
„Nun, beide Bands baten mich, einen Entwurf zu machen. Da ich nicht gerade ein Kenner der deutschen Sprache bin, kam es zu diesem Fauxpas. Eigentlich hätte es ‚Alles ist tot‘ heißen sollen, denn schließlich war es der allerletzte KYUSS-Auftritt. Vielleicht hätte ich statt dessen lieber ‚Ich bin ein Berliner‘ oder so schreiben sollen.„
Es gibt einige Künstler, die in eine ähnliche Richtung gehen wie du. Ich denke da nur an Coop. Wie erklärst du dir die Tatsache, daß du nicht der einzige bist, der solche Bilder macht? Sprangen die anderen auf den Zug auf, oder habt ihr nur alle die selben Wurzeln?
„Coop steht für Cooper. Er wohnt in Los Angeles und ist sicherlich nicht auf den Zug aufgesprungen. Im Grunde schulden wir alle Robert Williams großen Dank, denn er ist der eigentliche Wegbereiter dieser Richtung und war schon vor 25 Jahren aktiv.„
Machst du dir eigentlich einen Kopf darüber, ob nun ein anderer Künstler von dir beeinflußt wird, oder ist dir das völlig egal?
„Leider nicht. Manchmal mache ich mir schon Gedanken, und das stimmt mich traurig, denn einige sind auf den Zug aufgesprungen. Eine ‚enttäuschende Überraschung‘ wie ich finde.„
Daß die Poster, die meist auf bis zu 500 Stück limitiert und/oder signiert sind, nicht gerade für wenig Geld zu haben sind und zwischen 30 und 80 DM kosten hat seinen Grund.
„Sie sind nicht unbedingt billig herzustellen. Hinzukommt, daß auch ich meine Miete, meine Angestellten und all das irgendwie bezahlen muß. Ich versuche, den Preis immer so gering und fair wie möglich zu halten, doch die Druckkosten sind unheimlich hoch.„
In Europa scheinst du auch mehr und mehr Fuß zu fassen. Während der Popkomm 1996 hattest du viele deiner Werke unter dem Motto „Schadenfreude“ in den Kölner Messehallen ausstellen dürfen. Von Zeit zu Zeit finden in größeren europäischen Städten sogar Ausstellungen statt. Und wenn man Glück hat, kann man dich dort sogar persönlich antreffen.
„Oh, ich liebe es zu reisen, ganz besonders in Europa. Wenn ich jemals in der Lotterie gewinnen sollte, werde ich sofort nach Europa ziehen. Dann kaufe ich mir ein schönes kleines Haus in Heidelberg und warte, bis ich ungeheuer fett und konservativ geworden bin.„
Neben Deiner Tätigkeit als sehr kreativer Künstler, hast Du ein nettes Label aus dem Boden gestampft, das sich zumeist der Veröffentlichung von Vinyl in allen nur erdenklichen Formaten widmet.
„An dieser Labelgeschichte hatte ich irgendwann einen Narren gefressen. Ich fühle mich geschmeichelt, mit diesen Bands zusammenzuarbeiten. Im Grunde wurde dadurch ein uralter Traum für mich wahr, und ich genieße es.„
Einerseits hat er Anfragen von Bands, die liebend gerne mit ihm kooperieren würden, auf dem Tisch liegen; andererseits tritt er selbst an Musiker heran. Jedenfalls hat er ständig in etwa 20 Anfragen vorliegen. Nicht schlecht. Zu seinen neuesten Signings gehören die englischen Hippie-Doom-Rocker CATHEDRAL, die Punk’n’Roller ELECTRIC FRANKENSTEIN und eine neue Band aus London mit dem vielversprechenden Namen HANGNAIL. Diese sollen ganz genau in die „Stoner Rock“-Schublade passen, wo sie dann gemeinsame Sache mit Bands wie FU MANCHU, KYUSS und Konsorten machen können. Der europäische Markt ist jedenfalls sein nächstes anvisiertes Ziel auf dem Reißbrett. Er will Man’s Ruin Records endlich etablieren. Das könnte ihm mit seinem hochkarätigen Backkatalog natürlich ohne weiteres im Nu gelingen.
„Vor allem die ‚Stoner Rock‘-Scheiben haben sich bisher in Deutschland gut absetzen können. Aus diesem Grunde gibt es mittlerweile eine deutsche Hotline (siehe unten), und unsere Produkte werden durch Mordam Records und AVA vertrieben.„
Ebenso wie die Poster sind auch die Vinyl-Scheiben nicht billig.
„Das liegt hauptsächlich an den hohen Importpreisen. Wir verkaufen die Teile zwar für den standardisierten US-Preis, es kommen jedoch noch Steuern, Zoll, etc. hinzu.„
Aus Zeitgründen kann Frank Kozik leider nicht alle von ihm gefertigten Cover als Poster veröffentlichen. Schade eigentlich, denn ein STEAKKNIFE-Poster (mit dem Cover der zweiten Scheibe „Songs Men Have Died For“) würde sich in jeder Küche gut machen. Die Saarbrücker Punkrocker kamen nämlich überraschenderweise in den Genuß, von des Meisters‘ Hand ein cooles Artwork angefertigt zu bekommen. Sie fragten ihn, spielten ihm die Musik vor und er sagte zu.
„Hier beeinflußte mich unter anderem der Bandname. Außerden wollten sie ein Schundcomic-Motiv. Die restlichen Inspirationen brachten die Texte, die in mir Phantasien von Gewalt weckten.„
Die STEAKKNIFE-Jungs haben mir erzählt, daß du sehr umgänglich, nett und nicht einmal teuer bist. Das verwundert mich etwas. Hohe Qualität hat in der Regel einen hohen Preis.
„Ich muß mir noch täglich den Arsch selbst abputzen, wenn du weißt, was ich meine…„
Ich las in New York einmal an der Front eines stillgelegten Kinos den Spruch: „Kunst ist entweder ein Plagiat oder ist Revolution“.
„Ich hoffe, ich habe meinen Teil dazu beigetragen, Plagiate zu revolutionieren.„
Schmunzel…