Neue Folge der Reihe „David Munyon – bester Singer-Songwriter der Welt“, heute: Wohin die Winde wehen… Nach seinem kargen solistischen Ausflug vor zwei Jahren hat Munyon nun wieder eine Band im Rücken- und die tut seiner Musik gut – bei allem Respekt vor dem kompositorischen Talent des Meisters, aber so „ohne alles“ sind die Songs wenig tragfähig, mit Band klingt´s einfach satter!
„Singer-Songwriter“ – das klingt nach Tradition und Wertkonservatismus. Qualitätskriterium scheint eher Intensität statt Innovation zu sein. Singer-Songwriter-Fans wollen nichts „Neues“, sondern einfach nur tief berührt werden und ein paar nette, rustikale Harmonien hören – mal provokant gesagt. Falls ich irre, bitte ich um heftigen Protest und dessen nähere Erläuterung. Jedenfalls trachtet auch Munyon nicht nach revolutionären musikalischen Neuerungen. Vom Country-Pfad ist er abgekommen, segelt aber gleichwohl zu neuen Ufern. „Poet wind“ steht im Zeichen des Fisches: verlegt beim „Stockfisch“-Label (echt wahr!), die Lieder erzählen von Piraten, Walen, fernen Ländern etc. Und was einige wahnsinnige Kritiker (die sicher bald der Klabautermann holt) unter „Bistro-Klängen“ ablegen, sind in Wirklichkeit traditionelle Shantie-Elemente: der einsame Matrose, mit seinem Schifferklavier lehnt er an der Reling…
Munyon ist also unter die Seebären gegangen, das ist das Novum des jüngsten Werks des vietnamerfahrenen Ex-Soldaten. Ansonsten meldet das Logbuch (erleichtert): Alles beim Alten. Rauh aber herzlich singt der Amerikaner mit der sonoren Stimme (hoher Gänsehaut-Faktor!) seine wunderbar melodisch fließenden, ziemlich melancholischen Songs, zwar ohne Pedal Steel Guitar, aber immer noch in solider Akustik-Handarbeit.
Mit dem Townes Van Zandt-Cover „Snowin´ on raton“ zollt er dem Anfang 1997 verstorbenen Kollegen Tribut, von dem er sich zwar nicht im Pathos unterscheidet, diese Inbrunst aber anders als Van Zandt nicht gegen sich selbst, sondern gegen seine Umwelt, die „Gesellschaft“ und sein Land richtet. Zugegeben, der narbengesichtige, wettergegerbte und irgendwie authentisch wirkende Munyon hat was von rebellischen, geläuterten Veteranen à la „Geboren am 14. Juli“. Er wirkt einfach „redlich“ – um es mit dem Lieblingswort des Sangeskollegen Reinhard Mey zu sagen – womit wir beim Punkt wären: Stichwort „Gutmensch“. Und diese ganze Hinleitung nur, um auf Munyons peinlichen Weltverbesser-Song „Save the world“ zu kommen, wo zu allem Überfluß auch noch ein Kinderchor zum Einsatz kommt. Herr Zuckowski läßt grüßen. Hilfe!
Das war´s aber auch schon an Kritik. „Poet wind“ ist ein schönes solides Singer-Songwriter-Album, das meist akustisch swingt, gelegentlich auch rockt. Ruhig und ohne Mätzchen, dafür mit viel Tiefgang und Schwermut – in Abwandlung des Blues-Mottos: „Sailing round the world, feeling bad“.
Natürlich lohnt auch diesmal wieder ein Blick in die zweiseitigen(!) Credits des Meisters (ja, ich weiß, der Begriff wird momentan ziemlich inflationär gebraucht, aber der joviale Munyon hat einfach etwas von einem „Meister“!): diesmal finden sich unter anderem Danksagungen an die Heilige Dreifaltigkeit und die himmlischen Heerscharen, an Krishna, Vishnu, Brahma, Shiva, Buddha, Allah, Mohammed, Jessie und Joshua, Ghandi, Walt Disney, Arnie, Amy Grant, John, Paul, George und Ringo, an U2, Elvis und „you, Babe“. Sei´s drum.
David Munyon
Poet Wind
Stockfisch