Jonas ist eine vierköpfige Band aus Niedersachsen. Laut Label-Info entstammen sie „der Generation, die mit Grunge, nicht mit Indie-Rock aufgewachsen ist.“ Das bedeutet nun zweierlei:
1.) Die Jungs sind wirklich blutjung, d.h. zwischen 17 und 19 Jahren alt.
2.) Da sie noch mit Aufwachsen beschäftigt sind bzw. seitdem nicht viele Musiktrends erlebt haben, fühlen sie eine enge Bindung zu den Klängen, die den Abgesang ihrer Kindheit und das Heraufdämmern jenes Unheils begleiteten, was manche Leute „Leben“ nennen, und sie pflegen diese Bindung. Kurz gesagt: Jonas spielen Grunge-Rock.
Dabei bevorzugen sie aber die eher leisere Variante des Genres: Fette Gitarren und wuchtiges Muskelspiel haben sie nicht im Programm. Gelegentlich werden ihre ruhigen, fein dargebotenen Songs zwar von kurzen, heftigen Rockausbrüchen voller nervöser Energie unterbrochen, der Grundton ihres Debutalbums bleibt aber eigenartig leise und traurig. Eine Melancholie zieht sich durch diese Platte, die mit Teenager-Traurigkeit nicht sehr viel zu tun hat. Eher mit einer abgeklärten, sachlichen Haltung, die offenbar zum Schicksal sagt: ‚Na dann komm‘ eben rein, wenn du dich schon nicht wegschicken läßt‘. Was für Menschen unter 20 eine bemerkenswerte Tatsache ist.
Daß die 14 Songs auf „september sex relationships“ so klingen, ist außer der Band und ihrem Sänger, Texter und Hauptkomponisten Mathias Exler auch der Produktion zuzuschreiben. Zwei von drei Tocotronics (Jan Müller, Arne Zank) haben einen Sound gebastelt, der die Stimmung der Stücke hevorragend unterstützt: Kein Low-Fi, aber auch nicht fett. Klar und trotzdem nicht kalt. Schön, aber dennoch nicht glatt oder geschmäcklerisch. Jonas waren gut beraten bei ihrer Produzenten-Wahl, falls man den Vorgang, einem recht prominenten Musiker vorm Besuch seines Konzertes zufällig ein Band in die Hand zu drücken und Wochen später von Selbigem zuhause angerufen zu werden, so nennen kann. Ja lieber illusionsloser, zynischer Leser, der Du gerade vor Deinem PC sitzt und Dir schon wieder ein Dosenbier aufmachst, nachdem Du mit Deinem japanischen Wagen gerade noch Frösche auf ihrer Wanderung überfahren hast, auch solche Geschichten schreibt das Leben. Vielleicht das große Los für vier Jungs aus dem südwestlichen Zipfel Niedersachsens. Noch schillernder wäre es natürlich gewesen, hätten Jonas ihren Plan verwirklicht, beim Pink-Pop-Festival eines ihrer Demobänder den konzertierenden Bush auf die Bühne zu werfen. Das mißlang jedoch. Der Wurf war zu kurz und das Tape landete im Matsch vor der Bühne. Sind Jonas am Ende doch nur Wimps?
Aber egal, man kann nicht alles haben. Kurt Cobain z.B. ist schon tot. Dafür stehen Nirvana auf der Thankslist von Jonas. J.Mascis und Neil Young stehen nicht dort, trotzdem ist der Einfluß der beiden Oberheuler auf „september sex relationship“ deutlich wahrzunehmen. Speziell auf „Rockstar“ klingen die jungen Deutschen wie eine leichtere, entspannte Version von Dinosaur Jr. und „Meek“ ist eine sehr, sehr offensichtliche Anlehnung an „Heart of Gold“, den größten Hit des Grunge-Übervaters Young. Allzu deutliche Reminiszensen sind jedoch die Ausnahme auf diesem erstaunlich reifen Album, das eine Lanze bricht für eine Musik, die im Moment wahrlich nicht überrepräsentiert ist. Jonas haben Stil und sie haben eine eigene Note. Und das ist eine ganze Menge für Zwanzigjährige.
Jonas: september sex relationship
(L'age d'or/Rough Trade)