Live: Willie Nelson

Köln, E-Werk, 10.05.1998


Shakehands stundenlang…

Wenn Willie Nelson, Marihuana rauchende Country-Legende, mittlerweile fast 65-jährig und damit mit dem „unweigerlichen Abbau von Nierenfunktion, Augenlicht, Kniegelenken und sexuellem Ap- petit“ („Rolling Stone“) konfrontiert, neben Johnny Cash, Waylon Jennings und Kris Kristofferson einer der berüchtigten Outlaws der Country-Szene, in seinem hohen Alter noch mal auf Tournee geht, dann läßt man sich natürlich nicht zweimal bitten und setzt alle Hebel in Bewegung, um dabei zu sein. (Je älter der Künstler, desto länger die Sätze!) Nach anfänglichen Schwierigkeiten bei der Ticket-Bestellung („Willie-wie war nochmal der Nachname?“) und dringend fälligem Ölwechsel stand der ganzen Sache dann nichts mehr im Wege und ich fand mich in der 5. Reihe im Kölner E-Werk wieder. Etwas abgehetzt zwar, aber für’s Erste zufrieden.

Nachdem die anfängliche Hektik verflogen war, begann die übliche Raum- und Publikumsanalyse: Gut, das E-Werk ist sowieso immer gut belüftet und vom Getränkeservice überwacht, also kann man die Raumanalyse getrost vernachlässigen. Widmen wir uns also der wesentlich interessanten Publikumsanalyse. Umgeben von ungefähr 2-3 der gefürchteten Country-und Westernvereine (ja, Der-mit-dem-Wolf-tanzt war wohl auch da), einigen Rockern (allerdings nur in Tresennähe), einigen MTV-Kids, den üblichen zurückgebliebenen GI’s (Well,well) musste ich zu meiner Verwunderung feststellen, daß Willies Duett mit Julio Iglesias wohl doch eine grössere Fangemeinde hinterlassen hat, als ich dachte. Das beliebteste Transportmittel war demnach auch nicht das Pferd, wie man vielleicht hätte vermuten können, sondern der neue BMW-Roadster (Richtig! Der aus dem letzten James Bond). Edel-Friseusen galore also. Nichts desto trotz war meine Stimmung immer noch ungebrochen, als Willie das Konzert mit dem obligatorischen „Whiskey River“ eröffnete. Was folgte war ein Overkill an Hits, die Mr. Nelson seit den 50ern in seiner Karriere angehäuft hat, immer wieder vermischt mit neuem Material (Eine Mischung aus Jazz und Mariachi-Style. Weit weniger peinlich als sich das jetzt hier anhört.)

Begleitet von seiner „little sister“ am Piano und einer akustischen Begleit-Band verstand es der alte Bühnenhase, die Stimmung immer genau im Gleichgewicht zu halten. Schlüpfer werden da natürlich keine mehr auf die Bühne geworfen, aber man fühlte sich doch immer aufs Beste unterhalten. Nach 2(!) Stunden dann die erste Zugabe (zwischendurch blieb Willie aber auf der Bühne,um Hände zu schütteln und Autogramme zu geben ). Eine obligatorische Hank Williams-Coverversion und ein „Will the circle be unbroken “ später dann noch eine dritte Zugabe. Nach fast 3 Stunden dann das Ende Zurück blieb ein begeistertes Publikum das man in ähnlich unterschiedlicher Zusammensetzung wohl nur noch bei Frank Sinatra treffen konnte, aber das hat sich jetzt wohl auch erledigt. Und Willie? Wenn er zwischenzeitlich nicht doch tot umgefallen ist, schüttelt er wohl immer noch Hände und gibt Autogramme.

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