Interview mit Robert Beckmann, Sänger der „The Inchtabokatables“
Hinter den debilen Masken verbergen sich, wie so oft – Wahrheiten. Alles, aber auch wirklich alles unternehmen die Mitglieder der Berliner Band „The Inchtabokatables“, um nicht für voll genommen zu werden. Sie geben sich selber lustige Namen wie BDeutung und Kokulorus Mitnichten und anderen Interviews, in denen die Rede ist von heißer Butter, Saufeskapaden und kranken Hirnen – aber nicht von ihrer Musik. Doch gerade die ist es wert, Worte darüber zu verlieren.
Daß die „Inchtabokatables“ mit ihrem furiosen Mix aus Folk, mittelalterlichen Anklängen und Rockmusik in keine Schublade passen, weder in eine deutsche, noch in eine internationale – nun gut. Wichtiger ist, daß die Berliner mit einer Leichtigkeit und Natürlichkeit spielen, texten und komponieren, die andere Musikanten alt aussehen läßt. Die Quelle ihrer Inspiration scheint nicht zu versiegen, vier Alben enthalten mehr Ideen und Geistesblitze, als die Jahresproduktion mancher Plattenfirmen.
Anstatt weiter auf der Folkwelle zu reiten, steuerten die „Inchtabokatables“ mit der im Sommer letzten Jahres veröffentlichten CD „Quiet“ in rauhere Gefilde, bewiesen, daß sich Geigen nicht nur für lustig Melodeien eignen, sondern auch kreischend den Untergang heraufbeschwören können. Rockigere Klänge lösten mittelalterliche Tänzchen ab – das Konzept funktionierte auch live hervorragend, wie die umjubelte Tournee durch Deutschland im Dezember zeigte.
Sänger der Band ist Robert Beckmann, der sich BBreuler nennt. Ganz im Gegensatz zu seinem freakigen Bühnen-Gehabe antwortete er im Interview mit Hinternet-Mitarbeiter Martin Schrüfer ruhig und bestimmt auf Fragen nach dem Stilwechsel der Band, dem Abschied von den „Roots“ und dem Ausblick auf die Zukunft.
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Hinternet: Heute abend spielt ihr das letzte Konzert der Tour, seid ihr zufrieden? Oder nur müde?
Beckmann: Naja, nach dem zehnten Konzert denkst du nicht mehr drüber nach, weil man ist dauernd müde. Das wird zum immerwährenden Zustand. Aber die Tour ist sehr gut gelaufen.
Hinternet: Wie war die Reaktion der Zuschauer?
Beckmann: Gerade die hat uns gefreut. Es war überall gut voll, teils ausverkauft. Das einzige, was ein bißchen genervt hat, war, daß es einen Haufen Unfälle gegeben hat. Unser Lichtmann hat sich ein Bein gebrochen, gleich am vierten Tag. Der Geiger von „Final Virus“ hat einen Klassiker abgeliefert: Er hat gegen einen Eimer getreten, der aber leider mit Beton ausgegossen war, danach hatte er eine Knochenabsplitterung. Der Tourmanager hat sich ein Bein mit heißer Butter verbrannt. Man mußte sich schon fast entschuldigen während der letzten Tage, daß man gesund war.
Hinternet: Habt ihr einen alten Set gespielt, oder waren auch neue Lieder dabei?
Beckmann: Wir spielen den Set zu der „Quiet“, weil wir zu der Platte noch keine Tour gemacht haben, da gab es nur ein paar kleine Clubgigs und im Sommer ein paar Festivals. Was ganz witzig ist, weil die neue Platte schon fertig ist. Mit der neuen Scheibe geht`s aber wieder auf Tour.
Im Februar erscheint ein neues Album der „Inchtabokatables“. Grund genug, BBreuler ein paar Details zu entlocken.
Hinternet: Was kannst Du über die neue Scheibe verraten?
Beckmann: Sie ist eine relativ konsequente Fortsetzung des Weges, den wir mit „Quiet“ begonnen haben einzuschlagen. Es wird wieder sehr noisig, mehr Maschinen sind drauf.
Hinternet: Wie heißt die CD?
Beckmann: Den Namen haben wir noch nicht, wir zanken noch. Auf unserer Homepage haben wir aufgerufen, uns Namen zu schicken, aber da kam auch noch nicht das Richtige.
Hinternet: Habt ihr mit dem Konzept der „Quiet“ euren – ganz speziellen – Weg gefunden?
Beckmann: Wie jede Platte, die man macht, ist sie Ausdruck der Entwicklung der Band zu dem Zeitpunkt. Ich denke, mit den Erfahrungen der „Quiet“, die wir sehr eigenständig produziert haben, im Rücken war es klar, daß der Weg weitergeht. Das heißt, es wird noch noisiger sein, extremere Bassgeschichten, es sind nicht unhörbar wenige Sampler und Synthesizer mit dabei.
Hinternet: Schmerzt der Abschied von der folkigen Mittelalter-Schiene, oder war die wirklich nur eine Art Krücke für Euch?
Beckmann: Das war nie Krücke, sondern unsere Wurzeln. Zwei von uns haben mittelalterliche Musik gemacht, zwei andere Irish-Folk. Nach sechs Jahren mit elektrisch verstärkter Musik sind diese Roots aber irgendwann vergessen. Ich denke, was an der Band sehr gut ist, ist der hohe Anspruch, den wir an uns selber haben. Der sieht so aus, daß wir uns auf gar keinen Fall selber kopieren wollen. Und es ist klar, daß diese Folkrock-Bewegung, die wir sicherlich mit losgetreten haben, jetzt gerade tierisch im Kommen ist. Das ist aber kein Grund für uns, nochmal einen „Tomatenfisch“ zu schreiben, einfach, weil es nicht mehr unserem Entwicklungsstand entspricht. Unsere Auffassung von unserer eigenen Musik hat sich verändert. Ich kenne einige Beispiele von Bands, die seit Jahren Folkrock machen…
Hinternet: Beispiele?
Beckmann: Da will ich jetzt keine Namen nennen, aber bei einigen weiß ich ganz genau, daß es die nervt. Aber es ist erfolgreich und deshalb wird dabei verblieben. Das ist nicht unsere Philosophie. Uns geht`s nicht darum, irgendwas zu machen, das die Ansprüche des Publikums bedient, sondern uns geht`s um unsere eigenen Ansprüche.
Hinternet: Glaubst Du, daß der Fan den Stilwechsel so einfach hinnimmt? Schließlich haben auch Alben wie „Ultra“ oder „Inchtomanie“ viele Freunde…
Beckmann: Ich gehe davon aus, daß sich das Publikum verändert, daß eine ganze Menge Birkenstock-Sandalenträger wegbleiben. Das düstere, mystische Mittelalter ist sicherlich bei uns zugunsten einer moderneren Variante der Härte gewichen. Ich denke, es ist zeitgemäßer. Wir sind mit der „Quiet“ in 1997 angekommen, nachdem wir drei Jahre lang mehr oder weniger mit unseren Wurzeln gespielt und davon gelebt haben. „Quiet“ ist unsere erste sehr zeitgemäße Platte.
Hinternet: Waren die ersten drei Platten eher auf Euch fixiert?
Beckmann: Die ersten Platten leben von vielen Fremdeinflüssen, von denen wir uns in den zwei Jahren von der „Ultra“ bis zur „Quiet“ freigemacht haben. Wir wollten nicht mehr mittelalterliche Tänzchen umarrangieren und daraus ein Lied machen. Es ging darum, die Platte eigenständig vom ersten bis zum letzten Ton zu schreiben und zu spielen und zu produzieren. Insofern ist die „Quiet“ die allernäheste Platte zu uns.
Hinternet: Während die anderen Bands immer noch Folk machen..
Beckmann: Ja, ich merke, daß langsam die Metalfans auf diese Musik abfahren, Beispiel „Subway to Sally“. Wir denken in keinster Weise kommerziell. Was uns langweilt, kann nicht gut sein für uns.
Hinternet: Noch eine Frage zu den Mittelalterlichen Anklängen: Habt ihr Euch mit der Zeit auch inhaltlich beschäftigt, habt ihr in dem Stil gelebt?
Beckmann: Ich habe ein paar Jahre zusammen mit dem Trommler bei einem Mittelaltermarkt gelebt. Im wesentlichen hat mich aber die Musik interessiert. Da haben wir uns öfters in die Staatsbibliothek gesetzt und alte Noten entziffert…
Hinternet: Wer schreibt die Texte?
Beckmann: Die deutschen Texte kommen aus dem kranken Kopf unseres kranken Trommlers, wie alle unsere deutschen Texte, die deutschen Texte kommen vom kranken Ich.
Hinternet: Die Presse nennt Dich einen „verschlagenen Hofnarr„, „Nosferatu„, „Rumpelstilzchen“ oder einen „in Ekstase geratenen Zigeuner“ – was paßt am besten auf BBreuler?
Beckmann: Eigentlich gefällt mir alles!
Hinternet: Trifft die Mischung aus allem zu?
Beckmann: Ja, das sind einige Facetten des Bühnen-Roberts.
Hinternet: Wie unterscheidet sich der Bühnen-Robert vom privaten Robert?
Beckmann: Die sind beide nicht allzu verschieden. Zwei Drittel meines Lebens sind von Musik bestimmt, auf die Person, die sich damit beschäftigt, trifft das zu. Das letzte Drittel ist etwas anderes.
Hinternet: Eure Promo-Firma bezeichnet die Inchtabokatables als „Priester der urbanen Sehnsucht„…
Beckmann: Vergiß das, diese Schwachmaden von Promo-Idioten! Ich bin echt gekippt, als ich gelesen habe, was die da reingeschmiert hatten. Das war das einzige an der „Quiet“, was wir nicht selber gemacht haben. Das Cover, die Produktion, Mischen, Mastern, Inlay, Layout – alles. Und ausgerechnet diesen blöden Pressetext, der in der ganzen Republik rumgeschickt wird, da haben wir uns zurückgelehnt und gesagt: Das machen die schon. Und dann kommt sowas dabei raus.
Hinternet: Ist es Euch wichtig, über alles die Kontrolle zu haben?
Beckmann: Mir ist wichtig, daß kein Bild von der Band entsteht, das es nicht gibt. Wir weigern uns strikt, uns über ein bestimmtes Image vermarkten zu lassen.
Hinternet: Wie kommst Du mit den Reaktionen der Medien zurecht? Fühlt ihr Euch unverstanden?
Beckmann: Mit der „Quiet“ hatten wir eine überwältigende Resonanz, sowohl quantitativ als auch qualitativ. Da war ich verblüfft. Ich dachte nicht, daß man nach einem derart radikalen Bruch erst mal auf Kritik stoßen wird. Das einzige, was ärgert, ist, im Jahr 1997 immer noch nach der Ost-West-Schiene gefragt zu werden. Das nervt. Da brech ich mittlerweile das Interview ab, wenn so eine Frage kommt. In Göttingen schrieb ein Journalist sinngemäß, daß wir deshalb Geige und Cello gelernt haben, weil es im Osten keine E-Gitarren und Verstärker gab. Als die Wende kam, durften wir dann endlich einen Verstärker hernehmen und ein Kabel in die Steckdose stecken. Strom hatten wir nicht, die Sonne sahen wir nicht und telefonieren war strikt untersagt, und sowieso seien wir alle arme Schweine, deshalb müsse man zu unseren Konzerten gehen, um die armen Ostler zu unterstützen. Wir wollten den Schreiber greifen, da hätte es Prügel gegeben. Für uns ist das generell kein Thema, da würde kein Mensch drüber reden.
Hinternet: Stört Euch das mehr, als wenn jemand schreibt, daß ihr Euch mit folkloristischem Firlefanz schmückt?
Beckmann: Ach, das ist genauso, wie wenn man mich bitten würde, über Heavy-Metal-Combos zu beurteilen, da würde ich schreiben, die sollen sich erschießen und umbringen, aber man sollte denen keine Instrumente verkaufen. Da bin ich ähnlich intolerant.
Hinternet: Die Pläne für Januar?
Beckmann: Da mastern wir die Platte, nehmen eventuell noch einen Track auf und dann gibt`s hoffentlich vier Wochen Pause.
Hinternet: Sieht man Euch im Sommer auf den Open-Air-Bühnen?
Beckmann: Zillo und Bizarre spielen wir nächstes Jahr nicht, dafür aber Rock am Ring und Rock im Park.
Hinternet: Das sind doch aber eher auf kommerzielle Musik ausgerichtete Festivals….
Beckmann: Es geht darum, daß die musikalische Unabhängigkeit bleibt. Unabhängigkeit von der Plattenindustrie gibt es nicht mehr, das ist Quatsch. Bei den kleinen Indie-Labels hast du höchstens schlechtere Produktionsbedingungen und keinen Vertrieb. Ich arbeite gerne unter den besten Bedingungen, weil es der Musik dient. Ich habe mit dem Begriff Kommerzialität kein Problem. Es wäre gelogen zu sagen, jemand könne von Luft und Liebe leben. Mir ist auch klar, daß in der Nahrungskette Plattenindustrie wir die allerletzten sind, die Geld verdienen und daß andere von uns leben – That`s the way you do it, you know?