Da ich üblicherweise einen großen Bogen um Rock-Amazonen mache, ist mir Lisa Germano bisher nur schemenhaft vom Hörensagen her bekannt. Doch „Slide“ bereitete mir eine angenehme Überraschung: ein getragenes Independent-Grunge-Werk mit dumpf-breiigen-E-Gitarren, dezenter Synthie-Untermalung und zäh fließenden, melancholischen Harmonien.
Germano setzt auf Atmosphäre, und das gelingt ihr auch: entstanden ist eine Art Dark-Folk-Album für modrige Herbsttage, an denen sich die Sonne vergeblich abmüht, mit ihren Strahlen durch dicke Wolkendecken zu dringen. Lisa Germano ist gottseidank keines dieser neo-romantischen Klampfen-Weibchen wie Jewel und Konsorten, sondern um einige Grad tougher als ihre die Kritikerschaft entzückenden Kolleginnen – allerdings scheint sie unter einer Käseglocke aus Milchglas zu leben oder unter Valium zu stehen, denn ihr Zeitlupen-Sound hat etwas Verhaltenes und kommt nie völlig aus sich heraus. Die rauchige, leise Stimme Germanos ist dabei nur ein Faktor, auch die düsteren, schweren Gitarren (selten auch einige Streicher und Piano) tragen dazu bei, und natürlich die etwas verstört wirkenden Songs in Moll. Richtig balladesk (und damit kitschig-pathetisch) wirds aber nur bei „Wood floors“, ansonsten gilt: Lieder aus dem Maulwurfsloch, von ganz unten. Alle, denen Tori Amos zu spinnert ist, werden mit Lisa Germano definitiv mehr anfangen können.
Lisa Germano: Slide
(4AD/Rough Trade)