Badly Drawn Boy: EP 3

Der Terminus „EP“ läßt es schon vermuten: dies ist eine musikalische Zwischenmahlzeit, ein Snack von einer guten Viertelstunde Laufzeit und ganzen sechs Takes. Dafür ist das stilistische Spektrum von erschreckender Vielfalt! Ein Sampler, der sich als Album tarnt (ich weiß, Sampler sind auch Alben, aber Ihr wißt, was ich meine…). Warum nicht öfter solch nette CD-Wundertütchen? Diese Scheibe gehört zu den erfrischendsten, die mir dieses Jahr untergekommen sind!!! Los gehts mit einem dumpfen elektronischen Treibhausgewächs mit hölzernen Syntie-Melos irgendwo zwischen spährigem Trance und holprigem Hip Hop, also Trip Hop, aber nicht zart-ätherisch, sondern eher mit der Brechstange und dezent-dilettantischem Charme. Hat was.

Nach diesem Substrat datenverarbeitender Kompositionstechnologie erwartet man alles mögliche, aber bestimmt kein Low-Fi-Meisterwerk namens „I need a sign“ mit einer himmlisch eingängigen Hookline, folkigem Akustik-Geschrammel, viel Dschingderassabum im Hintergrund (maximaler Schunkelfaktor!) und schnöde genäseltem Gesang! Für Songs wie diesen hab ich eine „Repeat 1“-Funktion an meinem CD-Player, der mir ein und dasselbe Stück ewig und drei Tage runternudelt!!!

Take 3 („Interlude“) ist ein Fetzen steif perlender Spieluhrmusik mit einem verdächtig kratzigen Rauschen, wie es nur noch die Über-Zwanzigjährigen unter uns kennen, die noch wissen, was ein Plattenspieler ist. Ein kleines musikalisches Hors d´oeuvre also. (Lieber Himmel, Beschwerden über meine kulinarische Metaphorik bitte direkt an Herrn Becker richten, soviel literarisierte Gaumenfreude färbt ab. Kai Florian, der Alfred Biolek unter den Redaktionsmitgliedern – und dieser Vergleich ist alles andere als abwertend gemeint!)

„Meet on the horizon“ schleppt sich mit Gitarren-Geklimper, Meeresrauschen, irritierenden Percussions (Vibraphon oder Glasharmonika?), trägem Gesang und schräger Synthie-Untermalung dahin. Eine Art karger Alternative-„Tag am Meer“. „Road movie“ läßt die Wellen langsam ausklingen und züngelt sich plugged und straff geführt mit jeder Menge Hall und einem Schuß Glam zurück in die Tage des Southern-Rock. Richtig eingängig, mit viel Südstaaten-Power und sehr liebevoll gemacht (in der Musikwissenschaft würde sowas unter „Historische Aufführungspraxis“ fallen).

Tja, und der nächste Take ist auch schon der Rausschmeißer („Kerplunk by candlelight“). Nochmal die Spieluhr, hier kriegt sie aber noch Unterstützung von übel-hämmernden Drum & Bass-Rhythmen und schrägen, aber filigranen E-Gitarren-Einwürfen. Insgesamt vielleicht ein bißchen eklektizistisch, aber eine bizarre Mischung und tadellos gemacht, nicht zu glatt, nicht zu spröde: einfach perfekt! Diese CD würde sich gut unter Eurem Weihnachtsbaum machen!

Badly Drawn Boy: EP 3
(Twisted Nerve)

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