Peter Thomas: Moonflowers & Mini-Skirts

Hilfe, Hilfe, Hilfe! Meine Jahres-CD-Top-Ten platzt jetzt schon aus allen Nähten, und immer noch erscheinen Alben, die mich zwingen, alles wieder über einen Haufen zu werfen und einen der Kandidaten unter Tränen rauszukicken! Hier hat schon ein Blick aufs Cover genügt, um zu wissen, was Sache ist, denn der Name „Peter Thomas“ ist Programm!!! Ich sag nur „Raumpatrouille“ (Raumschiff Orion), „Der Hexer“, „Der Zinker“, „Die toten Augen von London“, „Die Leiche ist bewaffnet“ und dero Edgar Wallace- und auch Jerry Cotton-Musiken mehr… 1 A-Stoff für uns Easy Listening- und Weltraum-Musik-Süchtige, James Last on Acid sozusagen! Und als sei das noch nicht genug – was muß ich im Waschzettel lesen: unter den Mitmusikern befinden sich auch der Jazzer und Ex-Vampyros-Lesbo Sigi Schwab sowie Lothar Meid von Amon Düül II, na das hört sich ja schräg an!

Zunächst mal: ähnlich wie der freundliche Kollege im weißen Anzug mit dem Schnauzer, der sein Orchester immer auf diese unnachahmlich dezente Weise mit viel Understatement und einem kaum merklich wippenden Elfenbein(?)stäbchen in Hüfthöhe aus dem Handgelenk dirigiert (nur eine kleine Hommage an oben erwähnten Band-Leader…), befindet sich auch Peter Thomas altersmäßig langsam in Gefilden, die in meinen Top-Ten-Listen und in meinem Plattenschrank eher selten vertreten sind (bin kein Blues-Fan), und da ist es legitim, daß es sich bei „Moonflowers…“ um bislang unveröffentlichtes Archivmaterial aus den späten Sechzigern und frühen Siebzigern handelt. Mein Leben wäre um einige Sternstünchen ärmer, wären diese Schmankerl noch länger in Kartons verschimmelt! Ich wollte schon fragen, ob irgendjemand im vergangenen Sommer die Populär-Doku-Reihe „Mondän“ im ZDF gesehen hat, so um die Zeit der WM rum, jedenfalls wäre es toll, wenn die Begleitmusik auf CD erhältlich wäre, die war nämlich vom Feinsten und in etwa so wie das vorliegende Peter-Thomas-Werk. Dann fiel mir ein, daß der Meister himself ja auch in besagter Reihe vorkam, die die wichtigsten Schicki-Micki-Treffs von Saint Tropez bis Sylt porträtierte und noch einmal deren goldene Zeiten der Sechziger und Siebziger Jahre Revue passieren ließ. Alle damaligen und heutigen Akteure von Gunter Sachs bis Gerhard Meir kamen darin zu Wort, darunter eben auch Peter Thomas in seiner Funktion als Lebensgefährte einer Ex-Schauspielerin mit Vornamen Cordy, die mittlerweile aber lieber auf Mallorca malt oder als Klatschreporterin unterwegs ist. Peter Thomas – ein Fabelwesen aus der mythenreichen Steinzeit des internationalen Jet Set, mit Stars und Sternchen und in Hochglanz? Scheint so.

Jedenfalls hat er die cineastischen Versuche des befreundeten Playboys, Opel-Erben, Ex-Brigitte-Bardot-Gatten und Müßiggängers Sachs (Man sieht: ich hab meine Hausaufgaben gemacht!!! Das „Gala“-Abo war also doch für was gut…), ein Ski-Bum-Flick(?) namens „Happening in white“ von 1969, unverdientermaßen mit einem hinreißenden Soundtrack geadelt. Das Promi-Panoptikum (oder treffender: Pandämonium? Die Entscheidung überlasse ich der werten Leser/innenschar…) wird noch ergänzt durch Donna Summer, Senta Berger und Uschi Glas. Die Disco-Stöhn-Queen der 70er stand einst Ende der 60er in der Münchner „Hair“-Aufführung auf der Bühne (übrigens eine Keimzelle deutscher Nachkriegs-Musikkultur, sozusagen eine „Kaderschmiede“, nur noch vergleichbar mit den Les Humphries Singers… wenn mich nicht alles täuscht, „haarten“ damals auch Jürgen Marcus, der unvermeidliche Jürgen Drews und Su Kramer…), war mit einem Österreichischen Schauspieler namens Helmut Sommer (daher Donna Summer) verheiratet, inspirierte den jungen Giorgio Moroder und hatte 1969 eine kleine Rolle in der ZDF-Thriller-Mini-Serie „11 Uhr 20“, wo sie eben zu Peter-Thomas-Musik sang.

In ähnlichen Kreisen bewegten sich auch „die Berger“ und „Schätzchen Glas“, damals – darauf sei doch noch hingewiesen, auch wenn ich vor allem Uschi Glas nicht ausstehen kann – auch international agierende Aktricen, deren Aktionsradius ähnlich dem einer Barbara Rütting und Karin Dor durchaus in Hollywood´sche Reichweite kam! Jedenfalls, was die vokalen Darbietungen von Senta Berger und Uschi Glas angeht – sie können sicher nicht mit denen der seligen Monroe konkurrieren, aber man ist auch hier versucht, erstaunt festzustellen: ja, das kann sich hören lassen. Der Waschzettel weist nochmal drauf hin, daß es sich hierbei um echte Raritäten handelt, Sammlerstücke sozusagen („a true collector´s item“), und merkt augenzwinkernd an – wenn sie jemals welche waren („if there ever was one“)! Ein selbstironisches Label, diese Marinas…

Um aber endlich zum Opus selbst zu kommen: eine Compilation also, im Zeichen des Easy Listening mit viel, viel Swing, kräftigen Bläser-Sections und elastisch-treibenden Percussions. Der Acid-Touch vieler Takes resultiert aus der Kombination mit hitzigem Funk und Philly-Sound sowie dem Einsatz herrlich blubbernder, zirpender und wabernder Mätzchen aus der ersten Synthie-Generation. Einfach spacig!

Thomas entstammt ursprünglich einem Jazz-Fusion-Background und arbeitet konsequent mit klassischer Big Band unter Ausschluß jeglichen overdubbings – was meint, daß alles live und ungeschnitten eingespielt wurde um des gewissen Nervenkitzels willen, dessen echte Künstler nur ungern entraten mögen. (Bevor jemand meckert: solang meine Uni-Prüfungen nicht restlos abgewickelt sind, wird man mein Sekundärliteratur-Idiom wohl oder übel beim Rezipieren meiner Rezensionen mitkaufen müssen, in diesem Fall lehn ich mich allerdings an eine Formulierung Lisa Simpsons an, aus der Folge, wo sie Mumps hat und bedauert, ein paar Tage nicht in die Schule gehen zu dürfen…) Ein klassischer Musiker also, der es wagte, sich in populäre Büsche zu schlagen (tausendmal besser als die Absonderungen populärer Musiker, die sich nach „klassischen“ Decken strecken, ich denke da vor allem an Mr. Paul McCartney, für Frank Zappa bin ich bereit, eine Ausnahme zu machen). Mich persönlich würde interessieren, ob man dafür von vermeintlich „klassischen“ Kollegen schief angesehen wurde? Wie auch immer: Peter Thomas-Songs büßen auch dreißig Jahre später nichts von ihrer Frische ein!!! Nervöse orchestrale Meisterwerke, so überwältigend wie eine Kiste mit einem fiesen Springteufel, der einen beim Öffnen anspringt. Manchmal hat man direkt den Eindruck, das Ensemble spielt sich in einen Rausch – ja, die Musiker von Peter Thomas zählten damals zu den gesündesten überhaupt, denn wer in seiner Big Band instrumentierte, brauchte keine Drogen!

Also, vielleicht kauft Ihr Euch in der Süßwaren-Abteilung des Kaufhauses Eures Vertrauens die 6-Kammer-„Tele-Box“ mit einer repräsentativen Auswahl zuckrigen Knabberwerks, räkelt Euch in Euren aufblasbaren Sesseln oder auf echtem Flokati und laßt Euch zurückbeamen in einen historischen Moment, als sich biedere Tanzmusik mit psychedelisch-kosmischer Aufbruchstimmung vereinigte!

Peter Thomas: Moonflowers & Mini-Skirts
(Marina/Indigo)

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