Der Chefredakteur weiß, wie man Rezensenten lockt: „Beeinflußt von Yazoo und Depeche Mode“ sagt er, mit der CD winkend, und meint das Duo Equatronic (Oliver Thom und Dorothea Brandt) aus der Gegend ums saarländische Völklingen, einem häßlichen Industrie-Ghetto aus grauen Betonklötzen und dank des jahrzehntelangen Zechen-Ausstoßes sicherlich eine der häßlichsten Städte Deutschlands. Doch davon sollte man sich nicht täuschen lassen: Völklingens Bewohner haben ein sonniges Gemüt, nennen sich „Cindy“ und suchen sich einen „Bert“, um fröhlich trällernd durch die Schlager-Welt zu ziehen.
Equatronic dagegen dürfen directement in meinen Walkman einziehen, weil sie tollen Synthie-Pop mit dem Retro-Charme der frühen 80er Jahre machen: ein bißchen hölzern und maniriert eben, wie sich das damals gehörte – vor allem aber hochmelodische Ohrwurm-Songs, die sich von Anfang bis Ende durchsingen lassen. Heute mag das fast altmodisch wirken, ist aber exakt das, was hook-orientierte Hörer wie mich süchtig macht.
Die Musik ist klassischer Synthie-Sound pur, immer schön mehrere Schichten übereinandergelegt: harte Beats, sphärische Schwaden und diese herrlich spacigen Klangspielereien wie sie sich auch in den Werken des Synthie-Godfathers Vince Clarke (Ex-Depeche Mode, Ex-Yazoo, Ex-The Assembly, Ex-Projekt mit Paul Quinn und Nach-wie-vor-Erasure) finden. Equatronic haben wirklich ihre Hausaufgaben gemacht, und alte Vince Clarke-Verehrerinnen wie ich nehmen „Motivation“ mit Kußhand!
Aber auch wenn Oliver Thom mitunter gesanglich als totales Andy-Bell-Hear-a-Like durchgeht – bloße Kopisten sind die beiden Saarländer nicht. Ihre Songs sind wuchtiger und komplexer als der inzwischen ziemlich mainstreamige, leichtgewichtige Erasure-Sound. Bisweilen packen sie noch eine gehörige Portion wagnerianischen Pathos´ drauf und klingen so schrill und exaltiert, wie es anno dazumal nur die Sparks und der selige Klaus Nomi vermochten!
Mood-mäßig geht bei Equatronic alles: von locker-flockig über getragen bis richtig balladesk. Einen dickes Daumen-hoch auch für den Aufbau des Albums, das ist eine wirklich runde Sache geworden. Wo hat man das noch, daß man sich erst mit behutsamen Blubbern in die Weiten des Synthie-Alls eingrooven darf, bevor einem die Song-Knüller um die Ohren gehauen werden?! Und als Rausschmeißer gibts einen düsteren Sakral-Schinken im Zeitlupen-Tempo, der sinnigerweise „The End“ heißt. Hat es Ihnen geschmeckt, darf ich abräumen? Vielen Dank und beehren Sie uns doch bald wieder. – Aber sicher doch, ich hatte gar nicht die Absicht, zu gehen!!!
Equatronic: Motivation (Zoth Ommog)