Jimi Tenor ist der Lucky Luke der Musikbranche: der Mann, der seine Alben in so schneller Abfolge veröffentlicht, daß sein eigener Schatten nicht mitkommt! Dies ist sein viertes in nicht einmal drei Jahren, scheint mir. Er muß offensichtlich einfach nur einen Eimer drunter halten und sein kreatives Output fließen lassen. Beneidenswert.
Und gelohnt hat sich´s auch wieder. Tenor erfindet zwar nicht das Rad neu, aber er zitiert, fusioniert und eklektiziert auf sehr geniale Weise. Funk, Jazz, Blaxploitation- und Agentenfilm-Klänge, Disco-Glimmer, Ethno, Gospel und Chorgesang, Bläser-Fanfaren und sphärische Flöten – all das wird durch den Groove-Wolf gedreht und kommt als Smooth-Offensive unten wieder raus, mit viel cleveren Beats, Space-Atmo, Moogs und Synthie-Veredelung. Aufgenommen wurde das Album übrigens in Berlin, Barcelona, London, New York und in Tenors Heimatstadt Lahti.
„Organism“ verdient das Prädikat „de luxe“ wie kein zweites Werk, denn Tenors Sound ist unendlich elegant, geschmeidig und relaxt („smooth“ halt), aber nie soft. Verblüffend, wie der Mann bei seiner ganzen Zusammenklauberei seinen konzentrierten Minimalismus durchhält! Der ist es vermutlich auch, der den Album-Titel legitimiert, irgendwie scheinen die ganzen Songs zu leben und eigene Mikrokosmen darzustellen.
Mit dieser Charakterisierung füge ich mich nahtlos in den biologistischen Chor der Rezensenten-Kollegen ein: man sollte mal drauf achten, wie oft im Zusammenhang mit Jimi Tenor von Ein-Mann-Orchestern, Labors etc. die Rede ist. Da kann er noch so oft im Silber-Lamé-Mantel und auf weißen Hengsten in die Konzerthallen Einzug halten (vom Warhol-Haar-Mop und der Riesenbrille ganz zu schweigen) – ihm bleibt das Image des wortkargen, verschrobenen Skandinaviers.
Seine Musik scheint diesen Eindruck noch zu bestätigen: die Takes bewegen sich meist in einer Grauzone zwischen „Songs“ im Sinne des Wortes und Instrumentals mit verzerrten Computer-Stimmen oder Geflüster, jedenfalls immer nur in Fragmenten. (By the way: singen kann der Mann nicht! Er versucht es auch dankenswerterweise erst gar nicht oder wählt im Ausnahmefall dieselbe Technik, mit der schon Barry White seine Not zur Tugend machte.) Wie auch immer: die vokale Zurückhaltung Tenors und die oben erwähnte konsequente Konzentration im Sound geben seiner Musik etwas Intimes, Introvertiertes. So, als hätte sich jemand mit der Lupe dran gemacht, ganz alltägliche Dinge mal mit anderen Augen zu betrachten und neue Welten zu entdecken. Nie fühlte ich mich so oft an die Doku „Mikrokosmos“ (sic!) erinnert, wie beim Hören dieser CD. Die Wüste lebt!
Jimi Tenor: Organism (Warp/Rough Trade)