Nikolai Tomás (Ex-Poems fo Laila) ist wieder da, und die 80er-Jahre hat er auch im Gepäck, allerdings geschickt verknüpft mit hochaktuellen Milleniums-Moden. Also der Reihe nach: Tomás ist Poet geblieben, Chansonnier, um genau zu sein. Jetzt aber nicht mehr mit Gitarren und Folklore, sondern als Synthie-Popper. Der Synthie-Pop der 90er heißt „Elektronik“, wenn´s edel gemacht ist, auch „Club-Music“. Alles drei verbindet Tomás sehr geschickt.
Das Primat haben bei Radiotron die Songs, nach ihnen richtet sich die Technik, nicht umgekehrt. In der Regel sind das dunkle, melancholische Balladen, denen die Elektronik bisweilen die Sporen gibt und vor allem die übliche Erdenschwere nimmt. Dafür sorgt Keyboarder Mr. Kasar, mit einer ganzen Armada an Sounds, transparent und fast räumlich übereinandergeschichtet. Schablonenhafte Plastik-Klänge haben bei den Berliner nichts verloren, statt dessen federleichter Lounge-Pop und altmodisches Blubbern wie in alten Moog-Zeiten. Sehr komplex und üppig ausgetüftelt, mit vielen Filtern, Echos und Verzerrern – also massig Effekten – irgendwo zwischen Ambition und Musicbox. Die Drums steuert ein Mann namens Krafka bei, mit ähnlicher Funktion wie der Keyboarder: auflockern und antreiben. Der Bass von J. M. Gilles rundet das Konzept ab, Tomás selbst steuert spartanische Gitarren-Klänge bei (einmal mit spirreligem Sitar-Anstrich), in der Regel aber nur in der Größenordnung gezupfter Loops.
Das Album wartet mit eingängigen Hooks auf, darunter Blacks „Wonderful Life“ als geglückte Referenz an die Vergangenheit – Harrisons „While my guitar gently weeps“ dagegen als verunglückter, überkandidelter Ausrutscher. Radiotron machen beim Hören Freude, hinterlassen allerdings keinen bleibenden Eindruck. Die düstere Magie der Songs bleibt trotz des innovativen Konzepts seltsam flach und leicht konsumierbar.
Radiotron: Dangerous Love Songs
(Vielklang/EFA 03224-2)