Als erstes möchte ich mich mal wieder für die lange Wartezeit entschuldigen. Warum, wieso und weshalb es so unglaublich lange gedauert hat, ist eigentlich zweitrangig. Wichtig ist nur, dass endlich Folge 4 auf eurem Bildschirm flimmert und ich bereits an Folge 5 arbeite. Es geht aufwärts, meine Damen und Herren.
Der Split der hochangesehenen HipHop-Truppe A Tribe Called Quest war für die komplette HipHop-Community schockierend und traurig zugleich, wenn auch irgendwie zu erwarten. Deren ex-Mitglied Q-Tip hat allerdings nicht lange auf sein Solo-Debüt warten lassen. Dennoch ist „Amplified“ (Arista) kein Schnellschuss geworden und kommt sogar an die Glanzzeiten des berühmten Trios heran. Souliger, relaxter und intelligent gemachter HipHop, wie er leider viel zu selten zu hören ist, aber hoffentlich noch öfter von Q-Tip zu hören sein wird. Ich kann jetzt schon kaum die Veröffentlichung seines Zweitwerks erwarten.
Und wieder Konsens: Die HipHop-Welt ist sich derzeit einig und hat Mos Def, Newcomer aus Brooklyn, zu ihrem besten Produkt seit Jahren gekürt. Und das zu Recht. Zwar schmeckt dem Rapper diese Rolle nicht, aber wer ein solch grandioses Album wie „Black On Both Sides“ (Rawkus/Zomba) macht, muss mit Lob von allen Fronten rechnen. Dagegen verblassen selbst die Produktionen alter Hasen wie Dr. Dre und Q-Tip. Zudem gab es seit langem nicht mehr derart attackierenden, politischen HipHop, wie er in Mos Defs Texten zu finden ist. Mehr davon!
Es ist einem Wunder gleich. „Simon Says“, die erste Auskopplung aus Pharoahe Monchs Debüt „Internal Affairs“ (Rawkus/Zomba), hat die britischen Radiostationen im Sturm genommen. Täglich läuft der Song mehrere Male. Im Gegensatz zu seinem Labelkollegen Mos Def, gehört Pharoahe Monch eher zu den HipHop-Künstlern, die auch mal gerne vertrackte Strukturen oder seltsam anmutende Samples in ihre Songs einflicken, um dem Wunsch nach Abwechslung nachzukommen. Der Fluss leidet nie darunter und das ist bemerkenswert.
Kommen wir nun zu Salt ’n‘ Pepa, die uns „The Best Of“ (EastWest) schmackhaft machen wollen. Es ist zwar keine gute Idee gewesen, als erstes Stück einen Mallorca-Mix ihres Hits „Push It“ auszuwählen, doch sobald man diese ersten Minuten schadlos überstanden hat, kann man die restlichen Songs des rappenden All Girl-Trios geniessen. Natürlich dürfen auf dieser Hit-Zusammenstellung „Let’s Talk About Sex“ und „Whatta Man“ (mit En Vogue) nicht fehlen. Nett, aber kein Muss.
Einer der ganz grossen HipHop-Altmeister ist zurückgekehrt und hat „2001“ (Motor/Universal) im Gepäck. Nachdem er uns den weissen, rappenden Frechdachs Eminem gebracht hat, will sich Dr. Dre, Produzent, ‚Aftermath‘-Labelchef und Kopf der umstrittenen und just reformierten L.A.-Original Gangster-Rapper N.W.A. (mit Snoop Doggy Dog als Ersatz für den verstorbenen Eazy-E), mit seiner zweiten Soloscheibe zurück ins Rampenlicht katapultieren. „2001“ geht in jeglicher Hinsicht zurück zu den derben Wurzeln des gnadenlosen Westküsten-Raps. Die Texte strotzen nur so vor platten Sexismen und den üblichen Drogenhuldigungen. Doch trotz aller verbalen Peinlichkeiten, ist Dr. Dre weiterhin ganz vorne mit dabei. Gott sei Dank. Jetzt heisst es nur warten, bis N.W.A. ihr Album im Kasten haben.
„Vol. 3…Life And Times Of S. Carter“ (Def Jam/Universal), das dritte Album von Shawn Carter alias Jay-Z, dem rappenden Hobby-Gangster aus dem Moloch New York, ist auf den ersten Blick kein Oberhammer geworden. Trotzdem muss ich betonen, dass der kommerzielle und smarte Mix aus glattem R’n’B und typischem Gangster-Rap besser als erwartet funktioniert. Besonders klasse sind die vielen Gastauftritte auf dem Album. Ich denke da an Mariah Carey (Endlich mal ein lobenswerter Beitrag von ihr!), Missy Elliot (Macht die jemals was Schlechtes?), Amil und Juvenile. Nein, ehrlich, Jay-Zs Scheibe ist wirklich gut und der Junge hat ein paar klasse Ideen. Hört euch nur mal „Big Pimpin'“ oder „Anything“ an.
DMX hat in den letzten Jahren viel Lob kassiert, das entging wohl kaum einem HipHop-Fan. Vielleicht war das zuviel des guten, denn „…And There Was X“ (Def Jam/Universal) ist wahrlich nichts Besonderes, sondern ein durchschnittliches HipHop-Werk mit einigen R’n’B-Anleihen geworden. Ich meine, da gibt es schon einige Highlights, aber dafür ebenso grosse Reinfälle. Und immer geht es nur um die Pussys. Als hätten die Jungs keine anderen Sorgen. Gähn!
Zurückgekehrt aus den 36 Kammern ist Inspectah Deck, Mitglied des Wu-Tang-Imperiums. Bevor „Uncontrolled Substance“ (Loud/Epic) richtig losgeht, muss sich der Rapmeister aber noch schnell einen Blunt drehen, um in Stimmung zu kommen. Dann jedoch geht es mit „Movas & Shakers“ los, einem absoluten Strassenfeger. Kopfnicker-Groove 100 sage ich nur. Das hohe Level kann nicht durchgehend gehalten werden, dennoch beweist das Album, dass der Wu-Tang Clan wieder inspirierender, innovativer und wegweisender geworden ist. Immerhin hatte es nach „Wu-Tang Forever“ ein kleines kreatives Tief gegeben, das der Clan nur mit Mühe überwinden konnte.
Sean Paul und J-Bo sind die Youngbloodz. Mit ihrem üblichen Goldschmuck um den Hals, an den Fingern und den Zähnen und ihren langen wuscheligen Haaren sehen sie aus wie zwei fiese Crack-Dealer in den entlegensten Winkeln von Compton. Sie sehen aber auch aus wie ein paar Cousins von Bone Thugs’n’Harmony. Ob sie mit den früher in Cleveland, nun in Los Angeles ansässigen Rappern etwas zu tun haben, entzieht sich leider meiner Kenntniss. Sicher ist nur, dass das L.A.-Hoods-Duo deren Scheiben sicherlich im Plattenschrank stehen hat, denn in einigen Songs auf „Against Da Grain“ (LaFace/Arista) kann man gewisse Anleihen zu besagter Crew heraushören, so zum Beispiel beim Opener „Youngbloodz Intro“ und „U-Way (How We Do It)“. Alles in allen ein nettes Album.
Mit der Beschreibung „Laid-back-high-quality-hiphop“ will uns die hiesige Plattenfirma das erste Werk des internationalen Projekts Greedy Fingers ans Herz legen. Das scheinen die beiden Musiker auch mit Leichtigkeit in die Tat umsetzen zu können. „Shady Sirens“ (DC Recordings/EFA) ist mal verdammt lässig, mal eher jazzig veranlagt, dann wieder sehr technisch und vertrackt. Hinter alledem verbergen sich der belgische DJ Grazzhoppa und der Brite The Greedy Boy. Angereichert werden ihre Ideen durch ein paar amerikanische MCs, die professionell ihre Raps zu Band gebracht haben. Auch Tony Vegas, ein DJ der Londoner Turntablist-Crew Scratch Perverts hat sich zu einem Battletrack („Playing With A Pervert“) gegen DJ Grasshoppa eingefunden. Ist mal was anders und zudem ausgesprochen interessant.
Geschichten über Homies, über ihre Ladies, phatte Blunts (siehe vor allem „Smokefest 1999“) und übermässigen Konsum von Alkohol sind die Inhalte von Tashs „Raplife“ (Loud/Epic). Das mit dem Alkohol verwundert am wenigsten, denn Tash ist ja auch Mitglied der Cali-Rapper Tha Alkaholikz (!). Hochkarätige Unterstützung erfährt Tash auf seinem Solopfad von Ice-T, Wu Tangs Raekwon, Cypress Hills B-Real, Xzibit, Kurupt, Altmeister Dr. Dre und von seinen Tha Alkaholikz-Kumpels. Besonders der bereits oben erwähnte Dope-Track „Smokfest 1999“ weiss zu gefallen. Sein neblig-dichter Sound weckt sofort die Erinnerung an den letzten guten Joint. Um es auf den Punkt zu bringen: Abermals ein gutes HipHop-Werk aus Steve Rifkinds Loud Records-Stall.
„We don’t decide what’s hot, we let the Tunnel decide“, sagte just Funkmaster Flex, der bekannte New Yorker DJ, der in dem ebenfalls über die Landesgrenze bekannten Club The Tunnel jeden Sonntag mit seinem Freund und Geschäftspartner Big Kap heisse HipHop-Scheiben auf den Tellern rotieren lässt. Die gute Stimmung, die dort herrscht, lässt sich auch zuhause im Wohnzimmer erahnen, denn mit der Compilation „The Tunnel“ (Def Jam/Universal) können wir einen kleinen Einblick in die Qualität der sonntäglich feilgebotenen Tunes gewinnen. Dass fast alle derzeit angesagten Rap-Stars, weiblich wie männlich, auf diesem Album vertreten sind, versteht sich von selbst. East wie West wie South haben sich auf „The Tunnel“ zusammengetan und propagieren Einigkeit – zumindest dieses Mal. „The Tunnel“ ist ein Anchecken jedenfalls werrt.
Mir sind das ein paar Intros und Zwischenspiele zuviel auf Chef Raekwons Album „Immobilarity“ (Loud/Epic). Die nerven mit der Zeit gewaltig und verderben einem den Hörgenuss. Womit ich nicht sagen möchte, dass die Songs, um die es ja eigentlich gehen sollte, schlecht wären. Keineswegs. Sperrig sind sie aber ausgefallen. Raekwon hat seinen Style und der ist hörbar Wu Tang-lastig, d.h. trocken, hart und kantig. Und das obwohl Wu Tang-Chef-Produzent RZA seine Finger dieses Mal überhaupt nicht im Spiel hatte. Statt dessen hat Chef Raekwon eine ganze Reihe von Produzenten verpflichtet, um seinen Lyrics ein solides Fundament zu garantieren – u.a. Triflyn, Pete Rock und Mike „Trauma“ D. Nicht die beste Wu Tang-Family-Platte der letzten Monate, aber doch besser als manch andere Veröffentlichung.
Der Opener von Scotty Hards erstem Solo-Album „The Return Of Kill Dog E“ (WordSound/EFA) ist ein bizarrer, vertrackter HipHop-Tune, der trotz seiner wahnsinnigen Komplexität durchaus zum Mit-Grooven animiert. Scotty Hard alias Scott Harding ist bisher „nur“ als Produzent für Grössen wie De La Soul, Prince Paul, Cypress Hill oder den Wu-Tang Clan in Erscheinung getreten. Glücklicherweise hat er aber den Schritt von hinter dem Mischpult ran ans Mikro gewagt, denn sonst hätte ich jetzt nicht diese kranke und zugleich magisch anziehende Scheibe im Regal stehen. Weird stuff, brothas and sistas! Track eins ist nur der Anfang, die folgenden Stücken sind nicht minder abgespacet. Grossartiger shit!
So, nun mal zu unseren einheimischen Helden. Beginnen möchte ich die German Open mit Dejavue und die legen in Form von „Made 2 Chill/Stylism“ (Plattenmeister/Indigo) schon gleich mal ein phattes Brett vor. Da qualmen die Boxen und riechen plötzlich nach süsslichem Gras. Dejavue haben sich für Track eins (inklusive Remix übrigens) Black Kappa geangelt, der dem Reggae-Roots-HipHop mit seiner dunkel-heiseren Stimme einen ganz besonderen Touch verleiht. This song is really made 2 chill, homies! Da braucht man keinen Blunt, um in die rechte Stimmung zu kommen. Stellt euch die Absoluten im Reggae-Land vor, dann wisst ihr, was ich meine. Da geht was, sage ich euch. Auch Track zwei ist grossartig. „Stylism“ rockt das Haus und ist wesentlicher straighter als das verkiffte „Made 2 Chill“. Hier stimmt alles. Hoffentlich kommt bald mehr von denen auf den Markt. Checkt das!
Lasst euch von den norddeutschen Spassbacken von Fünf Sterne Deluxe nicht auf den Arm nehmen. Sie haben sich nicht aufgelöst und ich schätze, das werden sie in naher Zukunft auch nicht wirklich ernsthaft in Erwägung ziehen. Es wäre doch verdammt schade, wenn sie das Handtuch werfen würden, schliesslich sind sie die Verrückten unter den deutschen HipHoppern. Ohne sie würde der Szene ein wesentlicher Ideengeber und Vorreiter verlustig gehen. Klar bringt das Rampenlicht viele Nörgler und zum Teil massive Abnutzungserscheinungen mit sich. Doch da müssen die Vier ganz schnell durch. Dass sie auf einem guten Weg sind, das „alte“ Feuer wieder zu entzünden, zeigt zumindest die hervorragende Single „Ja, Ja… Deine Mudder!“ (Yo Mama/Zomba). Kauft die mal lieber, damit es den Jungs schnell wieder besser geht.
Mister Schnabel alias Andreas Schnabel dürfte vielen bereits ein Begriff sein. Da gibt es mit „Mic Check“ sein erstes Lebenszeichen und da war die Tour mit den Kollegen von Fünf Sterne Deluxe. Jetzt legt er die Maxi „Ruff In Micros“ (Showdown/Groove Attack) nach. Monsieur Schnabel ist derbe und selbstbewusst und möchte sich im Nu noch mehr Respekt in der Szene verschaffen. Das sollte dank dieser Maxi nun gar kein grosses Problem werden. Die Tracks sind übersichtlich und der Rhythmus lässt den Kopf (selbst beim Verfassen dieser Zeilen) kaum ruhen. Kopfnickerstyle sagt man neuerdings wohl zu sowas. Yeah, baby, schüttel dein Haar für mich…
„Hiphop ist der Dialekt für Leute mit Redewahn“ heisst es in „Worlds“, einem Kollabo-Stück von Texta und den Kaliforniern Jurassic 5. Für mich – neben dem vorletzten Track „Freiheit“ – der heimliche Höhepunkt auf deren aktueller Scheibe „Gegenüber“ (Geco/Plattenmeister/Indigo). Das Album besticht durch seine nachdenklichen Texte und die dazu passende, besinnliche musikalische Untermalung. Fast jeder Song basiert auf einem Piano-Tune; manchmal sind es auch Geigen und Trompeten (nein, nicht Pauken und Trompeten) sowie sehr gut gewählte Samples aus Filmen, von denen ich ehrlich gesagt keinen einzigen erkannt habe. Was dann am Ende aus den Boxen blubbert ist deutscher HipHop, der seine eigene Niesche gefunden hat und auf häufige, lästige Querverweise verzichten kann.