Dies muss es sein, was bei den Peanuts das Drei-Uhr-Nacht-Phänomen war. Alles dunkel, alles still, alle Bürgersteige hochgeklappt im Nachtjackenviertel. Hört man „And nothing…“ einsam zu später Stunde, fühlt man sich gleich noch viel einsamer als ohnehin schon, aber es macht plötzlich Spaß.
Yo La Tengo sind ein kleines Mythen-Bündel. Zum einen sind sie Amerikas ultimative Indie-Ikone, zum anderen leben sie die Unmöglichkeit des gemeinsam musizierenden Paares. Gitarrist Ira Kaplan und Dummerin Georgia Hubley sind nämlich verheiratet. Und das nicht etwa in New York, Seattle oder Los Angeles, sondern in Hoboken, New Jersey. Einem Provinznest also. Ein Bassist, James McNew, gehört auch noch dazu, und das alles seit 1986. Und „And nothing…“ ist je nach Zählweise das zehnte bzw. elfte Yo La Tengo-Opus.
In Hoboken gehen die Uhren zur Zeit ziemlich langsam. „And nothing…“ ist ein Downbeat-Album. Ein in sich gekehrtes, atmosphärisches, manche sagen sogar: meditatives, noch dazu. Yo La Tengo bringen die Stille zum Blühen. Zugegeben, man muß sich ein wenig einhören, vielleicht auch öfter. Erst wenn man die Alternative-Schrammel-Folk-Erwartungshaltung abgeworfen hat, kann sich der Charme dieses Kleinods angemessen entfalten. Spröde klingt es, rauh und nach schöner, kalter Schulter. Trotz seines roten Zeitlupenfades klingt jeder Song anders. Und kaum hat man sich mit den sperrigen, verfransten Hooks abgefunden, kommt ein Ohrwurm, der einem vor Sentimentalität das Wasser in die Augen treibt. Eine immense Bandbreite, sagen die einen. Indifferent, die anderen.
Sei´s drum. Einiges ist den meisten Takes gemein. Das Abgehangene, Eiernde, Verhuschte, leicht verloren Wirkende. Das Intime, Fragile, Gelassene. Und das Frische, die Surf-Gitarren, der Noise, der wummernde Bass, das Synthie-Gepluckere. Orgeln, monotone Beats, aus den 50ern übriggebliebene Swing-Rhythmen, schrummelige Riffs und formlos wabernde Song-Massen. Ambient? Lounge? Elektronik? Post Rock? Folk? Ja. Und Nein. Yo La Tengo sind eine Pop-Band! Und ich hab, nach nunmehr etwa sechsmaligem Durchhören, mittlerweile drei Lieblingslieder, Tendenz: steigend. Namely: Der Slomo-Schluchzer „Tears are in your Eyes“, das Tex-Mex-Instrumental „Tired Hippo“ und das 16-Minuten-Monster „Night falls on Hoboken“. Leises Geschrammel, zarte Harmonie-Vocals, ein unbeirrbarer Bass und experimentelles Geschrille, Gekrache, Gezerre und Geklapper. Mehr Installation als Song. Und süchtig machend…
Yo La Tengo: And then nothing turned itself inside-out (Matador OLE 371-2V/Zomba)