Frl. Katjas Nähkästchen, Folge 19

Ich mach mir ein bißchen Sorgen. Gerade hab ich mir eine Jeans gekauft. Eine von diesen dunkelblauen mit den riesigen Umschlägen am Hosenbein. War letztens für die Zeitung auf einem Elektronik-Event, da waren viele Kunststudenten und haben durch ihren Anblick wohl meinen modischen Wagemut geweckt. Aber jetzt hab ich mir zu dieser Hose auch noch Turnschuhe gekauft, und zwar so richtig große, klobige Skaterschuhe. Was soll das werden? Ein laufendes Kindchenschema? Ich fühl mich eigentlich ganz wohl drin, aber die Proportionen gehen irgendwie wieder in Richtung Kindergartenalter. Wenn ich mir noch einen Brotbeutel um den Hals hänge, holt mich sicherlich morgens jemand ab. Eigentlich warte ich drauf, dass mich im Job mal jemand drauf anspricht. Vielleicht eine genervte Chefin, die mich fragt, ob ich ihr so von vornherein jeden Wind aus den Segeln nehmen will, falls sie mal auf die Idee käme, mich zu kritisieren. Ich weiß auch nicht, was ich machen soll. Aber etwas gedrungenere Turnschuhe sehen zu der Hose einfach Scheiße aus.

Mit einem Blicks durchs Fenster würd ich ja sagen, es ist Herbst. Aber es kann nur Sommer sein, denn das ARD(!)-Morgenmagazin hatte neulich in einer Woche unter anderem folgende „Themen des Tages“: der neue Harry Potter-Roman (erscheint in Deutschland erst in drei Monaten, aber in England und den USA wird schonmal ausgeliefert…), die siegreiche deutsche Fußball-WM-Bewerbung für 2006 und die deutsche Mission Impossible II-Premiere. Ja, es kann nur Sommer sein, denn jede Verteidigungsrede zu den genannten tagespolitischen Highlights würde unweigerlich mit dem Wort „Sommerloch“ anfangen. Dann wird´s wohl so sein, denn die ARD ist schließlich nicht das ZDF. Nicht immer…


Frl. Katja liest
[nur MP3]

RTL ist da schon ein bißchen mehr ZDF. Guckt Ihr auch mit Freuden nachts „Mary Tyler Moore“? Ich hab ja ein bißchen gebraucht, bis ich drin war, aber jetzt kann ich nicht mehr davon lassen. Selbst die blödesten Kalauer werden hier mit soviel Charme dargebracht, dass ich schmunzeln muss. Ich hab im TV-Guide nachgeguckt: als ich geboren wurde, war grad Sendepause, aber die erste MTM-Folge nach meiner Geburt hieß „The Good-Time News“. Passt, oder? Mittlerweile ist die Hälfte der Folgen wohl überschritten, denn Mary ist gerade in ihr neues, mondänes Ein-Zimmer-Appartment umgezogen, und außerdem trägt sie mittlerweile diese seltsamen Fönwelle. Die Disco-Ära kann nicht mehr weit sein… Eine meiner Lieblingsfiguren ist natürlich der Nachrichtensprecher Ted Baxter, in seiner Eindimensionalität und Selbstverliebtheit angeblich eine visionäre Chiffre für das moderne Fernsehen. Ted Baxter ist als Moderator unglaublich guttural und altbacken. Neulich hab ich diese neue, blöde Quiz-Show mit Hans Meiser gesehen, und tatsächlich schien mir einige Male, als torkele in Wahrheit Ted Baxter mit seinen selten dämlichen Sprüchen über die Mattscheibe. Die Stimme ist schon ziemlich ähnlich, aber das allein war es nicht…

Meisers „21“ übrigens ist ein kaum kaschierter Abklatsch von Jauchs „Wer wird Millionär“, aber mies und schlampig gemacht. Da ist erstmal die Musik, die ständig wieder abbricht, während sie bei Jauch durchläuft und die Spannung oben hält. Dann diese seltsame Idee, den Leuten zum Teil dieselben Fragen zu stellen. Ein einziges retardierendes Moment… Und dann die Fragen selbst, nee, das macht keinen Spaß. Zumal, wenn die Multiple Choice-Antworten neben drei konkreten Personen-Namen noch die Kategorie „Keine der Genannten“ vorsehen.

Übrigens, ZDF. Endlich einmal möchte ich das Kaffeetassen-Gewinnspiel des ZDF-Morgenmagazins in Grund und Boden schreiben. Lange waren die Filmchen recht amüsant, hoben auf irgendein reales Ereignis ab und waren verknüpft mit einer Wissensfrage. Neuerdings findet man an dieser Stelle das Spielchen „Richtig oder falsch?“. Was denkt sich das ZDF dabei, mitten in einer Dauernachrichtensendung nach dem Zufallsprinzip kleine Fakes einzustreuen? Wer soll so schnell umschalten zwischen „Information“ und „Verarschung“? Gut, für Macher und Moderatoren ist das einerlei, ich weiß, aber für manchen Zuschauer ist es schon lästig, in Gedanken so ein faules Ei aus dem Info-Strom raushalten zu müssen. Was, wenn man gerade aus dem Bad kommt und hört, irgendeine Armee übt jetzt mit Gotcha-Farbbeuteln die Abknallerei? Im Fernsehen sieht´s aus wie immer, aber man hat das Handtuch vergessen, also nochmal ins Bad, und schwupp, verpasst man die Auflösung und erzählt in der Mittagspause den Kollegen die neuesten verteidigungspolitischen Kuriositäten.

Oder was die Zuschauer live am Telefon noch so alles über den Äther fragen… Wer hat gesagt, ZDF-Zuschauer sind alt und blöde? Au contraire! Neulich hub eine Dame, die gerade das MoMa-Gewinnspiel versiebt hatte, zu einer Frage an, die von klarster Auffassungsgabe zeugte: „Herr Dschobatei, was ich Sie schon immer mal fragen wollte: wo kommen Sie eigentlich her?“ Ja stimmt, möchte man da hinzufügen, aus welchem Urwald denn genau? Denn Sie, Herr Jobatey, sind ja immer so braun. Wie ein Affe. – Sowas ähnliches wird sich auch Cherno Jobatey gerade unter seinem wolligen Haar ergänzt haben, aber man darf Zuschauern in laufender Sendung weder über den Mund fahren noch fragen, ob Sie noch alle Tassen im Schrank haben. Also erklärte er freundlich, dass er in Berlin geboren sei und sein Vater aus Gambia käme. „Ach so. Ich wollt´s nur mal wissen. Denn Sie sind mir so sympathisch.“ Mir nicht. Und das mit dem Affen bitte ich zu entschuldigen. Waldorf-Pädagogik, Sie wissen schon…

War die Idee meiner Mutter. Und die ficht das nicht an. „Och, echt? Rassistisches Gedankengut in den Ausbildungsbüchern? Also, davon war aber nie was zu merken. Mit Euren Kindergärtnerinnen hattet Ihr wirklich großes Glück!“ Ja, das mag sein. Aber Vorschrift ist nunmal Vorschrift. Ich hab mich nämlich schon immer gefragt, wieso Waldorf-Kindergärtnerinnen mit jedem Kind ihrer Gruppe mindestens einmal nach Hause fahren und einen kompletten Tag in der Familie verbringen. Alle dachten, so sollte das familiäre Umfeld wirklich fundiert in die außerhäusliche Erziehung eingebunden werden. Ich persönlich war ja mehr der Überzeugung, es mache furchtbar neidisch, wenn alle anderen mittags abgeholt werden, und nur man selbst bleibt allein im Kindergarten zurück. Selbst wenn man die Kindergärtnerin ist. Deshalb diese Regel, dass man eben reihum mit in die Familien fährt… Jetzt ist allerdings klar, was der wahre Grund dieser Besuche ist: Gucken, ob das Bild vom Führer nicht schief hängt, und dass im Volksempfänger kein ausländischer Sender reingedreht ist.

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