Kopfschütteln war die erste Reaktion, die ich für einige der Tracks übrig hatte. Augenbrauenhochziehen und gleichzeitiges Stirnrunzeln ebenso. Ein bejahendes Seufzen und ein schön eine andere. Kurzum: „Text“ ruft sehr gemischte Gefühle ab. Verlassen kann man sich auf nichts. Von einer Sekunde zur nächsten ändert der Kahn seine Richtung. Von himmelblau zu stockduster. Von Gitarre zu Keyboards und seltsam anmutenden Soundarrangements.
Vielleicht ist Text trotz der verstörenden Momente doch die logische Weiterführung von dem, was Refused seinerzeit auf „The Shape Of Punk To Come“ exerzierten. Immerhin rekrutiert sich das Projekt Text aus ehemaligen Refused-Musikern. Während sich Dennis Lyxzén 1998 nach dem Split um (The) International Noise Conspiracy kümmerte, haben sich David Sandström, Jon Brännström und Kristofer Steen mit anderen Künstlern aus Umea zusammengetan, um ihre vielfältigen und teils divergierenden Ideen in einer losen Gruppe neu zu kanalisieren. Ihr gehören Komponisten, Musiker, Tänzer, Autoren, Regisseure, Animateure und DJs an. Laut Sandström beschäftigt man sich mit dem „Konstruieren, Obstruieren und Zerstören der Popkultur und all ihrer Sublevel“. Reggae, HipHop, Grindcore, Dance und Lesung clashen hier, und das hört sich so an:
Track 1 – „Requiem For Ernst Hugo (1928-1998)“: kollektives Acappella-Geschrei
Track 2 – „Sound Is Compressed; Words Rebel And Hiss“: Piano mit Gospelchor, dann Hammond-Orgel und es klingt wie eine Neo-Hippieband, nach der Hälfte des Songs kommt das Free-Jazz-Saxophon zum Einsatz, so dass einem die Haare zu Berge stehen, kurz die Melodie vom Anfang und wieder nervendes Saxophon, die letzten beiden Minuten bestehen aus Rauschen und Gelalle
Track 3 – „Collages Désertes, 1ère Tableau: Du Sable“: 20 Minuten liegen vor uns, die sich aus atmosphärischen Sounds, poetischem Gelaber und lockerem Dub zusammensetzen – der Dub ist erste Sahne, der Rest nervt
Track 4 – „We Have Explosives! – Schmexplosives?“: Atmo-Sounds, die von Atari Teenage Riot-mäßigen Noise-Attacken zersägt werden, plötzlich Totenstille, ein F/Piepen, Krach und verhackstückter Refused-Harcdcore
Track 5 – „Those Kids Are Gone“: Akustikgitarre, Bongo, Gesang, alles verzerrt und übersteuert
Track 6 – „Collages Désertes, 2ème Tableau: Du Soleil“: Saxophon ohne Nervpotential, Rückwärtsstimmen, jemand sagt einen Text auf, das musikalische Gerüst wird kompakter: Samples und Beats sind zu hören, TripHop- und Breakbeat-Einflüsse sind zu erkennen
Track 7 – „The Huntsville Treaty“: monotoner Schlagzeugrhythmus, der an das Ende einer jeden Neurosis-Show erinnert, Schreigesang, schrammelnde, blecherne Gitarren erklingen, Computer-Vocoder-Stimme, Chaos, Rekonstruktion und Melodie übernehmen und obsiegen
Track 8 – „Collages Désertes, 3ème Tableau: Du Chemin“: eine Stimme mit poetischem Inhalt ertönt aus dem Off, dazu wird Slide-Gitarre gereicht, Dub gibt es auch, scheppernde Becken erklingen, richtig gut irgendwie und schon fast zu normal für Text
Acht Tracks und somit 65 Minuten später bin ich da, wo ich angefangen habe: Stirnrunzeln, skeptisches Dreinblicken. Ich fasse dennoch zusammen: Unkonventionell und krank. Vielleicht haben die zu viel gekifft oder Unmengen Pillen geworfen? Ich weiß es nicht, jedenfalls habe ich so etwas noch nicht gehört und muss gestehen, dass „Text“ fasziniert und abstößt zugleich. Die mit Mr. Bungle und Fantomas auf Tour geschickt und die Welt ist nicht mehr in Ordnung.
Text: Text
(Desperate Fight/Indigo)