Helle Aufregung in den HINTERNET!-Redaktionsräumen. Herr AOL persönlich hat sich zu einem „roundtable“-Gespräch angekündigt, und nach dem spontanen Ankauf einer solchen Rundtafel sitzen wir gespannt um selbige und starren zur Tür, durch die ER gleich treten wird: Beherrscher des WWW, Weltmeister der Niveaulosigkeit, Zelebrator der schrottigsten Software seit Adams Reinfall mit dem Apfel.
Wir? Beginnen wir von links nach rechts: Chef Walter, heute zur Feier des Tages in einer HUGO-BOSS-Badehose mit appliziertem Schlüsselanhänger – Herr Becker, unser Frühstücksbeauftragter, der schon früh wußte, was er werden wollte („weil mein Kleinhirn die Form eines Milchbrötchens hat“) – Fräulein Babsi, die neue Dauervolontärin, wie immer hauteng ihre blühenden zwanzig Jahre perfekt in ein Nichts von Kleidchen mit nichts drunter gezwängt (unsere bisherige Dauervolontärin, deren Namen wir an dieser Stelle nicht mehr erwähnen dürfen, ist endlich im kaum verdienten Ruhestand und leitet jetzt, zusammen mit ihrer Urenkelin Angelika, einen Safaripark bei Essen) – ja, und ich natürlich, Experte für alles, was mit dem Computer zu tun hat.
Und da kommt er! Erste Überraschung: Vor uns steht nicht der erwartete großkotzige amerikanische Manager mit dicker Cuba-Zigarre, sondern ein schon älterer großkotziger deutscher Rentner aus der Celler Gegend, weltkriegserfahren und transpirierend, Adolf Otto Lustig mit Namen.
Wie er denn überhaupt dazu gekommen sei, so etwas wie AOL ins Leben zu rufen, fragt Chef Walter, gleich nachdem sich Herr Lustig jovial vorgestellt und – „Entschuldigung!“ – von den Kurven unseres Fräulein Babsi Gebrauch gemacht hat. „Ja…“ antwortet er philosophisch. „Was soll man denn machen, wenn man plötzlich Rentner geworden ist?“ Wir senken betroffen die Köpfe. Das ist ein echtes menschliches Problem, das wir morgen sogleich in einer Kolumne geißeln müssen. „Morgens die Gartenzwerge putzen, mittags aus abgebrannten Streichhölzern den Kölner Dom originalgetreu nachbauen – und abends? Ich frage Sie: Was macht man abends?“ Wir wissen es nicht.
„Nun“ fährt Lustig fort und schlägt ein Bein über das andere, wobei dieses eine das andere des Fräulein Babsi – „Entschuldigung!“ – wie zufällig tangiert. „Nun…also … ich hab in der BILD gelesen, die Zukunft heiße Internet, und da ich nicht Internet heiße, wollte ich wenigstens so tun als ob. Mit einem 286er hat alles angefangen. Das war mein erster Pfeil-Sörfer, sozusagen. Heute haben wir einen 486er, bald einen Pentium. Natürlich müssen wir dann die Gebühren leicht erhöhen…“
„Pfeil-Sörfer“ murmelt Herr Becker und macht sich Notizen. „Damit man pfeilschnell sörfen kann, gelt, Herr Lustig?“ Lustig nickt ihm gönnerhaft zu. Wird’s noch weit bringen, dieser schleimige Frühstücksonkel! „Ja… mit Kommunikation kenne ich mich halt aus. Schon damals in El Alamein – Mönsch, was haben wir mit den Engländern gechattet! Zack, zack, zack, da blieb kein Friedhof trocken!“
„Apropos…“ meldet sich schüchtern unser Fräulein Babsi. „Ist Sörfen wirklich so gefährlich? Erst gestern habe ich wieder gelesen: SÖRFER VON HAI ANGEFALLEN…. Wenn man da vielleicht was abgebissen bekommt….“ Sorgenvoll streicht sie mit den Handflächen über den wohlgeformten Oberkörper, acht gierige Augenpaare streichen in Gedanken mit. „Keine Sorge, schöne Frau!“ beruhigt Lustig galant. „AOL-Gewässer sind so seicht, daß nicht einmal eine Flunder darin überleben kann!“ „Das freut mich!“ freut sich Babsi. „Eigentlich mag ich ja Fisch. Vor allem in Tomatenpaprikasoße.“ „Genau!“ nimmt Lustig den Faden auf und rückt näher an den unglaublichen Leib der unglaublich reizenden Babsi. „Fisch , in kleinen Dosen zu sich genommen, hat noch niemandem geschadet!“
„Apropos geschadet.“ melde ich mich nun zu Wort. „Wie stehen Sie eigentlich zu der Kritik, die AOL-Software übernehme quasi die Herrschaft über das Betriebssystem des Anwenders?“ Chef Walter schickt mir einen bösen Blick. Keine unangenehmen Fragen!, sagt dieser Blick. Sonst müssen wir die 50 Riesen wieder hergeben, die uns Herr Lustig prophylaktisch überwiesen hat, damit wir keine unangenehmen Fragen stellen.
Aber Lustig lacht nur. „Alles Unsinn!“ Ich, ganz investigativer Journalist, bohre weiter. „Aber…wie erklären Sie sich dann, dass die AOL-Software den User bevormundet – ja, ich wage kaum es zu sagen: sogar zensiert?“
Jetzt rutscht Herr AOL doch etwas unruhig auf seinem Campingstühlchen herum. Ich fasse sofort nach, wie eine Flunder, die Blut geleckt hat.
„Folgendes ist mir erst neulich passiert. Ich schreibe einen Aufsatz über neue Berufe in der bunsenbrennerherstellenden Industrie und darin diesen Satz: „Fakt ist, daß Grafiker die neuesten Bunsenbrenner getreu den Maximen des Philosophen Karl Popper….“ – Tja, und weiter komme ich nicht, weil plötzlich ein Warnfenster aufgeht und mir mitteilt: ‚Sie haben in diesem Satz viermal schmutzige und vulgäre Umschreibungen des Fortpflanzungsaktes verwendet! AOL kann das nicht zulassen! Außerdem haben Sie vier Rechtschreibfehler in diesem Satz. Es muß „fuck“ heißen, nicht „Fakt“, „ficken“, nicht „Grafiker“, „bumsen“, nicht „Bunsenbrenner“ und „poppen“, nicht „Popper“.“
Fräulein Babsi errötet herzallerliebst und wird von Herrn AOL väterlich in den Arm genommen. „Das ist eben unsere moralische Verantwortung, und dazu stehen wir auch! Punkt!“ Langsam gleitet seine Rechte in Fräulein Babsis Ausschnitt. „Unsere Mitglieder sollen immer sicher sein, daß wir Tag und Nacht an sie denken. So. Jetzt muß ich leider gehen. Hat mich gefreut, aber es ist Zeit für mein Mittagsschläfchen. Kommen Sie mit, Fräulein Babsi?“
Nachtrag: Fräulein Babsi hat überraschend gekündigt, wir suchen dringend eine neue Dauervolontärin! Ihre Vorgängerin leitet inzwischen übrigens nicht mehr den Safaripark bei Essen, sondern ist unter die Provider gegangen. „KPD“ heißt ihr Online-Dienst, „D“ steht für „Deutschland“. Ob das gutgeht?