Über eines sollten Sie sich im Klaren sein, sobald Sie Ihren Rechner einschalten: SIE machen keine Fehler! Fehler macht allein der PC, und sein größter Fehler ist die Ausgabe von Fehlermeldungen, die als aparte Fenster zur Hölle die Wände unserer heilen Userwelt durchbrechen(poetisch, was?).
Aber was soll’s. Nichts produzieren Computer lieber als Fehlermeldungen. Wir unterscheiden, grob betrachtet, vier verschiedene Arten, uns den letzten Nerv zu rauben: numerisch codierte, alphabetisch explizierende, Ausnahme- und schwerliterarische Fehlermeldungen.
1. numerisch codierte Fehlermeldungen
„Fehler 19/3/8/5/9/19/19/5 ist aufgetreten: Zur Strafe formatiere ich nun Ihre Festplatte.“ Wie oft schon haben wir uns gefragt, was wohl hinter dieser kryptischen Ziffernfolge stecken mag. Die Antwort: Jede Zahl steht für einen Buchstaben des Alphabets. 19 für S, 3 für C, 8 für H, 5 für E, 9 für I usw. Übersetzt bedeutet das: Der Computer ist über irgendein Ereignis stinksauer und droht uns mit dem Formatieren der Festplatte. Was können wir dagegen tun? Wir drohen zurück: 6/21/11/3/25/15/21. Das hilft. Der Rechner nimmt von seiner teuflischen Absicht, die Festplatte zu formatieren, Abstand und verringert stattdessen lediglich den Arbeitsspeicher auf permanente 37,6 Bytes.
2. alphabetisch explizierende Fehlermeldungen
„Oh! Sie haben da einen furchtbaren Fehler gemacht! Das mit dem Doppelklick hätte jetzt nicht sein dürfen! Sind Sie in Ihrer Kindheit etwa geschlagen worden? Hatten Sie als Jugendlicher schlechten Sex? Wie sonst wäre es möglich, daß ein halbwegs vernünftiger Mensch in dieser Situation einen Doppelklick macht? ….“ Ecetera, ecetera. Alphabetisch explizierende Fehlermeldungen sind ein Relikt aus der Ära der postantiautoritären, sozialpädagogisch ambitionierten Softwareherstellung. Gottseidank sterben sie langsam aus, denn tun kann man nichts dagegen. In schlechter Erinnerung ist bei vielen noch die Software „Pädo?Viel!“, die für jeden begangenen Fehler das sogenannte „Fascho-Konto“ des Anwenders um einen Minuspunkt erhöhte und bei einem Kontostand von 25 sich weigerte – Originalzitat – „weiterhin unter solch repressiven, scheißbürgerlichen neofaschistischen Bedingungen werktätig zu bleiben“.
3. Ausnahmefehlermeldungen
Auch „benutzerdefinierte Fehlermeldungen“ genannt. Sie reagieren auf scheinbare Verfehlungen des Anwenders individuell adäquat, was natürlich schwer zu verstehen ist. Hier zwei Beispiele:
Unseren aktuellen Praktikanten, dem sympathischen Volksmusikduo Heinz und Herlinde, widerfährt es desöfteren, daß mitten in der Arbeit folgendes Fehlermeldungsfenster erscheint: „Fehler Nr. 456: Sie sind ein notorischer Falschjodler. Ich stürze jetzt ab und komme nie wieder hoch!“ Jeder, der das sympathische Volksmusikduo Heinz und Herlinde, unsere herzigen Sonnenscheinchen aus dem Zittertal, kennt und schätzt, kann über soviel digitalen Unverstand nur den Kopf schütteln.
Ein zweites, noch viel abschreckenderes Beispiel. Immer wenn ich mit dem Autorensystem DIRECTOR, diesem unvergleichlich tollen Tool, arbeite, erscheint spätestens nach 2 Minuten diese Meldung: „Ein fataler Fehler ist aufgetreten. Ich möchte aber nicht darüber reden und vernichte jetzt ihre Arbeit.“ Lange Zeit wußte ich nichts mit dieser Meldung anzufangen, bis mir der Seniorchefentwickler der Herstellerfirma MacroMedia, diese Mail schickte: „Sehr geehrter Herr Rudolph! Das mit dem Ausnahmefehler ist so. Immer wenn der Director erkennt, daß der aktuelle Anwender einen Intelligenzquotienten von mindestens 250 hat, weil darunter solche tollen Anwendungen, wie Sie, verehrter Herr Rudolph, sie reihenweise zustande bringen, nicht möglich sind, wenn also der Director soviel Genie erkennt, spielt er den Beleidigten und schlägt um sich. Nichts für ungut. Werden Sie einfach dümmer, dann hat sich das Problem von selbst erledigt.“ Ich gebe mein Bestes!
4. schwerliterarische Fehlermeldungen
Obschon bislang nur von einem Fall zu berichten ist, sind schwerliterarische Fehlermeldungen die allerschlimmsten überhaupt. Vor einem Jahr nämlich hat die deutsche Firma Stardivision keinen geringeren als den deutschen Qualitätsdichter Günter Grass damit beauftragt, die Fehlermeldungen für die kostenlos vertriebene Software STAROFFICE zu schreiben. Gegen gutes Honorar,. natürlich, und G.G. ging auch sogleich an die Arbeit. Herauskam eine Sammlung von insgesamt 459 Fehlermeldungstexten, deren kürzester sich mit 134 Seiten begnügt, während der umfangreichste stolze 1299 Seiten zählt. Er beginnt: „Soll ich euch die Geschichte eines Fehlers erzählen, dessen Wurzeln im Mittelalter der Mannbarkeit liegen, aber deren Wurzeln wiederum im Mannesalter der Unmittelbarkeit fußen…“ und endet: „Da nahm Oskar seine Sabine in den Arm und dachte: ‚Morgen werden wir heiraten, koste es, was es wolle. Ich hab noch eine Blechtrommel, die ich verscheuern kann.“
Grauslig! Welcher Anwender hat schon so viel Zeit, die Fehlermeldungen bis zum Ende zu lesen! Für Grass hat sich das Ganze immerhin gelohnt. Er konnte sich endlich einen langgehegten Herzenswunsch erfüllen und den Nobelpreis für Literatur kaufen, ein Sonderangebot der Schwedischen Akademie der Wissenschaften („1a Literaturnobelpreis, kaum gebraucht! Jetzt bekommen, erst in fünf Jahren zahlen! Auch in bequemen Monatsraten! Haltbarkeitsgarantie, Abholservice bei Reklamationen!“)
Wir gönnen’s ihm.