Lektion 21: Der Speicher

Neulich, als ich auf dem Dachboden meiner tessiner Zweitvilla nach meinem alten Teddybären suchte, weil mein neuer, mit dem ich meine Nächte zu verbringen pflege, unauffindbar war, neulich also auf dem Dachboden, da dachte ich so für mich: Das ist ja komisch. Eine anständige tessiner Villa und ein anständiger Computer mögen nicht viel gemeinsam haben, aber eines doch: den Speicher. Woher kommt das? Wohin geht das? Und warum, um nicht zu fragen: wieso?

Schon die ersten Computer besaßen einen Speicher. Das war noch nicht komisch. Sie waren nämlich so groß wie eine tessiner Villa und zehnmal so teuer. Der Speicher befand sich ganz oben und diente zur Aufbewahrung all des Trödels, der sich im Laufe der Zeit eben so in einem Rechner ansammelt: die Pornobildsammlung aus den seligen Jahren der süßen Pubertät, Programme wie „Der große Akne-Terminator“, ein Renner der führenden europäischen Softwareschmiede Data Becker, oder gar die phänomenale Anwendung „Wir häkeln uns eine Textverarbeitung“, die besonders unter den Damen der Computergemeinde ungeheure Wertschätzung genoß.

Später, als die Rechner kleiner, die Anwender größer und die Damen emanzipierter wurden, erfand man die sogenannten „Speichermedien“. Es handelte sich dabei im einzelnen um das Diskettenlaufwerk, das CD-Laufwerk , den Arbeitsspeicher und die Festplatte. Die ersten drei wurden auch „flüchtige Speicher“ genannt, weil alles, was man dorthin verfrachtete, spätestens fünf Sekunden später unauffindbar war, so daß man es auch gleich lassen konnte. Einzig die Festplatte war ein verläßlicher Genosse und hob alles auf, was man ihr anvertraute. Das hatte aber einen großen Nachteil: Sie wurde sehr schnell voll und mußte entrümpelt werden. Zu diesem Zweck kaufte man sich 674 Disketten, lud allen Festplatteninhalt auf diese, kehrte die Platte schließlich fein sauber aus und schmiss anschließend alles von den Disketten wieder auf die Festplatte, woraufhin diese zwar wieder genauso voll wie vorher wurde, aber jetzt wenigstens staubfrei. Denn merke: Der größte Feind einer Festplatte ist der Staub.

Später konnte man die 674 Disketten durch zwei oder drei CDs ersetzen. Man stöberte einfach in seiner privaten CD-Sammlung, wählte zwei oder drei besonders nervige Scheiben (z.B. von den Small Faces, Townes Van Zandt oder Joni Mitchell, über die übrigens eine wunderbare, bei Amazon.de zu bestellende Biografie erschienen ist, die in keinem anständigen Haushalt fehlen sollte) und übertrug nun den Inhalt der Festplatte auf diese sogenannten „Medien“. Was wiederum einen kleinen Nachteil hatte: Es klappte nicht. Erst Jahre später erfand man spezielle CDs, die keine Musik enthielten und auf die man Daten speichern konnte.

Der finsterste Gesell unter allen Speichern ist der Arbeitsspeicher. Denn er arbeitet, was schon suspekt genug ist. Kaum hat man den Rechner eingeschaltet, um sich bei einem Spielchen zu entspannen oder doch noch einmal die pubertäre Pornobildersammlung zu inspizieren, da meldet sich der Genosse auch schon mit dem Befehl, nun werde aber fleißig gearbeitet, er tue es nämlich auch.

In solchen Situationen ist es am besten, man teilt dem Arbeitsspeicher irgendeine Arbeit zu, die ihn so beschäftigt, daß er einen nicht mehr stören kann. „Eh Alter, deinstalliere mal mein Windows!“ kann man ihm zum Beispiel zurufen oder „Los, Junge, jetzt aber mal die Festplatte geputzt. Ist ja nicht mehr auszuhalten bei dem ganzen Staub!“

Besitzt man einen besonders dummen Arbeitsspeicher, macht er auch wie ihm aufgetragen, und man hat seine Ruhe. Intelligente Arbeitsspeicher hingegen weigern sich und melden: „Noch so einen Gag, mein Lieber, und ich mache Überstunden!“ Dann hilft nichts mehr. Fluchend öffnet man seine Textverarbeitung und tippt irgendeinen Text, z.B., wie Günter Grass es macht, einen neuen Roman oder, darauf schwört Verona Feldbusch, 6812 mal den Buchstaben „a“, weil das so schön beruhigt und ja auch von der chinesischen Naturheilkunde empfohlen wird.

Zusammenfassend kann man jedenfalls sagen: Speicher? Das ist doch alles nostalgisches Zeugs! So wenig wie ich neulich meinen alten Teddybören wiedergefunden habe, so wenig findest du im Speicher deines Rechners irgendetwas von dem, das du gerade suchst. Manchmal findest du dafür andere schöne Sachen, so wie ich auf dem Dachboden meiner tessiner Villa zum Beispiel eine wunderbare Pornosammlung aus dem Jahre 1968, als Rudi Dutschke noch Rudi Dutschke war und Verona Feldbusch noch keine Brüste hatte. Aber das ist schon wieder ein anderes Kapitel im großen Buch der Computerwissenschaft.

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