Rotzrock-Offensive aus Seattle
Manche Alben liegen Monate nach ihrer Veröffentlichung immer noch wie Blei im Regal und entwickeln sich erst nach einiger Zeit zum Megaseller. „Throwing Copper“ von Live ist dafür sicherlich ein Paradebeispiel. Das Debüt von New American Shame wartet auch schon gut sechs Monate auf den Wendepunkt des Bekanntheitsgrades und der Verkaufszahlen. Sieht man mal von den Lobeshymnen eines deutschen Hardrock-Magazins ab, ist das Quintett faktisch unbekannt.
Während die Skandinavier ungehindert den Rotzrock-Thron bestiegen haben, kommt jetzt die längst überfällige US-Antwort ausgerechnet aus Seattle. Gitarrist Jimmy Paulson beschreibt das so: „Hier in Seattle dominierte die Grunge-Fraktion während der letzten zehn Jahre, wir wollten einfach lustige, eingängige Songs nach dem alten Strophe-Refrain-Strophe-Muster spielen; Rock’n’Roll im Stil von AC/DC.“
Also, Schluss mit Flanell und Stiefeln – aus Seattle kommt jetzt wieder klassischer Hardrock, der -laut Paulson- lebendig geblieben ist „…wie ein Schabe unter einer leeren Pizzaschachtel, die nur darauf gewartet hat, dass die Grunge-Begeisterung wieder abebbt.“ Da diverse Schweden wie Gluecifer oder The Hellacopters mit ähnlichem Sound schon eine Weile am Start sind, ist es nicht wirklich neu, was New American Shame präsentieren, aber es ist wirklich gut. Völlig inhaltsfrei geht es hier nur um den Spaß am Hardrock. Vielleicht liegt es aber doch an der ernsten musikalischen Vergangenheit Seattles, dass die fünf Jungs nicht auf das amerikanische Spaß- und Poserlevel von Mötley Crüe oder vergleichbaren Kaspern abrutschen. Der quasi Titelsong „American Shame“ und Nummern wie „Under It All“ und „Down In The Valley“ gehen staubtrocken direkt auf die Zwölf. Erlöst dieses Album endlich von seiner bleiernen Regal-Schwere.
New American Shame: New American Shame
Will/Atlantic