Na, können Sie damit noch ´was anfangen: Strahlerküsse, Minikillers, Moulinex, Fa, Ford Taunus und Opel Rekord? Lange her, schon klar. Zwischen 1960 und 1975, als „Easy Listening“ noch keine Retro-Mode, sondern hochangesagt war. Auf den Plattentellern und in der Werbung. Die Kreuzung aus beidem hieß „Schallfolie“. Eine biegsame, bunte Folie mit Abspielrillen. Ein give-away eben. Und das, was drauf war, war Kunst. Gutbezahlte, strikt funktionale Auftragskunst. Klang gewordene Brotjobs, die neben den strengen Vorgaben der Marketing-Etagen trotzdem noch Platz ließen für die Genialität ihrer Schöpfer. Zwischen 1960 und 1975: als die Werbekomponisten noch Klaus Doldinger, Christian Bruhn, Gert Wilden, Klaus Wüsthoff, Johnny Teupen und Luigi Pelliccioni hießen.
Vermutlich hätten Sie sich damals nicht träumen lassen, dass Freaks die Gratis-Folien tatsächlich sammelten – und einst bei EFA auf CD bündeln sollten. Gesagt, getan: Ergebnis liegt vor. Und macht Staunen in mehrfacher Hinsicht.
Zum einen über erwähnte Genialität der Macher. Trotz des Zwangs zu schlanken Melodien schlagen ihre Ideen Kapriolen, auch auf engstem Raum. Federleicht schrauben sich die meist euphorischen Harmonien empor, peitscht manischer Beat-Rhythmus die künstlichen Partys voran. Ziemlich krank, eigentlich.
Dann: der Zeitgeist. Grellbunt, sexy und flower-powig, wie vertonte Prilblumen die einen. Jazzig mit Bläser-Improvisationen, andere. Diabolisch polternde Soundtracks mit Big-Band à la Peter Thomas, wieder andere. Oder: mit schmatzendem Philly-Sound, schwül und soulig. Gegen Mitte der Siebziger, dem Ende der Zeitreise… Auch gern genommen: harte Breaks für gesprochene Parolen. Oder ein Calypso, Ende der Fünfziger Jahre. Das Wirtschaftswunder lässt grüßen. Luigi Pelliccioni übrigens lässt seine „Variationen K´71“ um vier Töne kreisen: b, a, es und f. BASF. Und W. Breinigs „Space-Freizeit ´69“ ist ein Weltraum-Ausflug, komplett in Hammond. Um nur zwei Schmankerl herauszugreifen…
Und zuletzt: die seltsame Liaison aus obszöner Kauf-Animation und unschuldigem Song-Reigen. Unter moralischen Gesichtspunkten ist „Pop-Shopping“ ein Rotlichtbezirk. Marktwirtschaftlich pervertierte Tonkunst. Aber eben – spannenderweise – auch kein reiner Schlager, kein reiner Easy Listening, kein Beat und kein Jazz. Nein, die Takes auf „Pop-Shopping“ inszenieren ihre eigene Scheinwelt, jenseits der Hitparaden, Konzerthallen und Tanzflächen.
Und das Format der Schallfolie hat dabei seinen besonderen Reiz: aus der Miniatur, dem Werbejingle, heraus entwickelt – und trotzdem so lang wie ein gewöhnlicher Song. Auf der Folie, der aufdringlichen Fernsehspots entledigt, durften die klingenden Werbeträger endlich das sein, was sie eigentlich waren: Musik.
P.S.: im Booklet gibt´s die ausführliche Entstehungsgeschichte des Albums, die Tatsachenberichte zweier Sammel-Süchtiger und ein Vorwort von Götz Alsmann.
Sampler Popshopping Vol.1 (Crippled Dick Hot Wax/EfA CDHW 069)