Das erste, was man wahrnimmt, ist die Stimme. Auf der Schwelle zwischen Unschuld und Laszivität. Lakonisch und aufreizend phlegmatisch. Jungmädchenhaft naiv seit rund zwanzig Jahren, mit einem Hauch von Mickey Maus. Die Stimme von Inga Humpe ist eine Chiffre des Deutsch-Pop. Jedem, der in den Achtzigern jung war, ist sie ein Stück Heimat.
Gemessen an ihrem Oeuvre ist Inga Humpe (Ex-Neonbabies, Ex-DÖF, Ex-Humpe&Humpe, Produzentin, Songwriterin und Solokünstlerin) eine Grande Dame deutschen Liedguts. In Wahrheit verhält es sich aber wie mit Madonna und Britney Spears: die Ältere lässt die Jüngeren alt aussehen. Und 2raumwohnung, das Projekt von Inga Humpe und ihrem Lebensgefährten Tommi Eckart, ist an Leichtigkeit und Esprit kaum zu überbieten.
Mit „Wir trafen uns in einem Garten“ fing alles an. Was als Werbemusik der Ost-Zigarettenmarke „Cabinet“ begann, wurde bald von Berliner Radiostationen populär gemacht und schließlich als Single veröffentlicht. Ein nonchalant hingeschrammelter, swingender Ohrwurm. Die zweite Single, „Nimm mich mit“, wurde gemeinsam mit Jörn-Uwe Fahrenkrog-Petersen komponiert, seinerzeit Keyoarder bei „Nena“. Und tatsächlich: „Nimm mich mit“ ist das missing link zwischen Neuer Deutscher Welle und Schlager. Üppig arrangiert, Elektronik und Akustik-Gitarre kombinierend, mit unwiderstehlichem Handclapping unterlegt. Der Song, den Stereolab gern geschrieben hätten.
Und nun das ganze Album: „Kommt zusammen“. Aus dem die beiden vorab veröffentlichten Singles wie Inseln herausragen. Vorbereitend waren sie nur in zwei Punkten: in ihrem Minimalismus und ihrer Romantik. Beides begegnet beim Hören der übrigen Liedern immer wieder, trotzdem macht der Longplay die Singles zu Außenseitern.
Monotone Beats, simple Elektronik-Bausteine, zarte Akustik-Gitarre und fragile Pop-Melodien sind der kleinste gemeinsame Nenner von „Kommt zusammen“: unkompliziert, klar und melodiös. Bei 2raumwohnung verschmelzen New Wave, LowFi und Songwritertum. Die eigentliche Domäne der Berliner heißt ohnehin „Der perfekte Popsong“. Und davon finden sich auf „Kommt zusammen“ gleich mehrere.
Musikalisch erfinden 2raumwohnung das Rad zwar nicht neu, bedienen sich aber geschickt und stilsicher bekannter Sounds. Club-Music, Lounge-Pop, Space-Klänge und Singer-Songwriter-Intimität – alles findet sich, originell kombiniert, etwa zum schrägen Anarchismus des Titelsongs: Maultrommel zu wummerndem Bass und trockenen Beats. Oder in der sanften Melancholie der futuristischen Liebes-Ballade „2 von Millionen von Sternen“…
Selten gingen Coolness und Charme eine solch enge Verbindung ein, wie bei 2raumwohnung. „Kommt zusammen“ könnte eine Frischzellenkur für deutschen Pop sein, wenn andere sich anstecken ließen. Vom Understatement der Songs darf man sich nicht täuschen lassen, sie machen das Album nur noch hinreißender…