Heute versteht sich die Elektro-Firma Sanyo unter anderem auf das Bauen schicker und nobel gestalteter Miniatur-HiFi-Anlagen. Doch es soll eine Zeit gegeben haben, da gab es Kassetten-Recorder anstelle von Kassetten-Decks. Und die portablen Vorgängermodelle – später auch mit integriertem Radio – waren groß, unhandlich und schwer. Mit denen ohne Radio saß man dann am Sonntagnachmittag vor dem Radio und schnitt live ein paar seiner Lieblingsnummern aus dem Radio mit. Da durfte natürlich keiner dazwischen reden, hüsteln oder mit dem Geschirr klappern. Absolute Stille war befohlen. Das eingebaute, einen auf einen Zentimeter große Mikrofon wurde möglichst nahe an die Lautsprecher des Radios herangeführt. Die genaue Abstimmung zwischen Lautstärke des Radios und dem Abstand des Kassetten-Recorder zum Radio waren eine knifflige Angelegenheit. Kurzum: Genau in diese Phase der jugendlichen Tüftelei und der vielleicht ersten Entdeckung und Aufarbeitung der Popmusik geht das kurzweilige Buch von Christian Gasser zurück.
Gasser wuchs in der Pop-Diaspora Bern auf und hat sich – nach Beendigung des nachmittäglichen Einführungskurses Pop – als Plattenverkäufer, DJ, freier Autor und Rundfunkredakteur durchgeschlagen. Wie im Falle von Nick Hornby oder auch Benjamin von Stuckrad-Barre (wenn es denn sein muss) ist Gassers Leben von der Popmusik gezeichnet und bestimmt. Er kann nicht ohne. Will er auch nicht. Das kann so weit gehen, dass er sich bis über beide Ohren in Popsängerinnen verliebt oder in jeder noch so fernen wie fremden Stadt die Plattenläden nach Raritäten durchstöbern muss. Wer musiksüchtig ist, der kennt diesen unaufhörlichen Drang und der kennt das lange Gesicht, das eine Begleiterin im Fall der Fälle macht. Meist sind die nämlich weniger infiziert. Selbstverständlich nimmt Gasser – wie jeder Musikfan mit etwas Rückrat und Feingefühl – seinen Angebeteten Mixkassetten auf. Ohne die geht es nicht. Auch hatte Gasser als Jugendlicher die Plattensammlung seiner Schwester geplündert, kaum dass diese aus dem Elternhaus ausgezogen war. Man kennt, was man da liest. Genau aus diesem Grund macht es so viel Spaß, Wort für Wort in sich aufzusaugen, kurz das seinige Poperleben Revue passieren zu lassen und wieder und wieder zu schmunzeln.
Gasser hat sich über die Mixtapes sogar so viele Gedanken gemacht, dass er dreizehn amüsante Grundregeln für deren Erstellen ausgetüftelt hat. Die sollte man als Neuling auf dem Gebiet unbedingt beachten.
Übrigens: Dies ist die überarbeitete und erweiterte Neuauflage (mit Bonustracks), des bereits im Jahr 2000 bei Edition Tiamat erschienenen Buches.
Christian Gasser: Mein erster Sanyo (Heyne)